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Die aktuelle Fatwa: Juni 2013

27.06.2013

OnIslam: Killing Egyptian Shiites: Islamic?

Diese Fatwa ist deshalb besonders wichtig, weil gerade das Verhältnis verschiedener islamischer Richtungen untereinander u. a. wegen des Wahrheitsanspruches häufig sehr angespannt ist. Mitunter sind die Haltungen untereinander feindseliger als gegenüber Nichtmuslimen, jedenfalls was die vom Islam anerkannten Buchreligionen angeht.
Der Mufti betont in seiner Antwort zwei Aspekte, nämlich dass das islamische Recht Lynchjustiz verbietet und dass das staatliche ägyptische Recht das Recht ist, das die Angelegenheit regelt. Das ist interessant, denn er erkennt damit das Primat des staatlichen ägyptischen Rechts an. Das knüpft an Gedanken der islamischen Staatstheorie an, nach denen unter Umständen ein Herrscher anzuerkennen und der Anarchie vorzuziehen ist, auch wenn er nicht vollständig mit islamischen Lehren konform geht.
Wichtig ist ferner, dass mit Ibn al-Qayyim ein Hanbalit, also ein der schiitischen Konfession diametral gegenüberstehender Gelehrter, zitiert wird. Schließlich erkennt der Mufti die Schiiten als islamische Konfession an. Ein für Ungläubigerklären mit den entsprechenden Folgen wird damit ausgeschlossen.

Schlagworte: Lynchjustiz, staatliches Recht, Staatstheorie, Schiiten, Sunniten, Salafiten, Ibn al-Qayyim, Ägypten

20.06.2013

AllAfrica: Algeria to Unify Fatwas

Diese Meldung behandelt das Problem schlechter und extremistischer Fatwas aus algerischer Perspektive. Ich hatte zu diesem Problem bereits die tunesische Perspektive kommentiert und dort angemerkt, dass es sich um ein weiter verbreitetes Problem handelt, was sich nun bestätigt (vgl. Die aktuelle Fatwa vom 16.04.2013).
Algerien denkt nun über die Gründung eines obersten Fatwagremiums nach, um dieses Problem zu lösen. Diese Meldung zeigt weitere Aspekte des Problems. Sehr schön ist die Aufzählung von Meinungsunterschieden anhand konkreter Beispiele. Man erkennt allerdings an allen Themen, dass hier ein Interesse des Staatsapparates besteht seine Politik durchzusetzen.
Interessant sind auch die Bemerkungen zu internationalen Fatwas, wobei es sich auch um Internetfatwas handeln kann, die in der Tat häufig den Schwachpunkt haben, dass sie regionale Besonderheiten nicht berücksichtigen. Ganz besonders interessant ist die Bemerkung über Satellitensender. Man kann annehmen, dass es sich hier um von Saudi-Arabien geförderte Sender handelt, die sehr geschäftstüchtig strenge religiöse Rechtsgutachten (Fatwas) mit der Werbung für Halal-Produkte verknüpfen.

Schlagworte: Fatwaamt, Fernsehsender, Salafiten, Malikiten, Ministerium für religiöse Angelegenheiten, Algerien

18.06.2013

Islam - Q & A: Ijmaa‘ (scholarly consensus): definition, types and conditions

Heute habe ich eine Fatwa herausgesucht, die sich mit einem grundlegenden Thema des islamischen Rechts befasst, dem Konsens. Das hat ebenso Bedeutung, auch wenn sich die meisten Fatwas mit aktuellen Fragen und Ereignissen beschäftigen. Der Konsens (Ijma') ist deshalb von herausragender Bedeutung, weil er jedenfalls für die Sunniten die dritte Rechtsquelle nach dem Koran und den Hadithen (den Prophetentraditionen) ist.
Wie man an der Fatwa erkennen kann, gibt er nachfolgenden Generationen die Möglichkeit neues islamisches Recht zu schöpfen. Damit steht er in engem Zusammenhang zum Fatwawesen, das der Motor der islamischen Rechtsentwicklung ist. Das Fatwawesen ist allerdings weitgehend von Dissenz geprägt, so dass nicht befürchtet werden muss, dass durch zuviel Konsens das Feld der freien Rechtsfindung zu eng wird.
Bei der Würdigung der Darstellung des Konsenses ist zu beachten, dass sie aus der sehr strengen wahhabitischen Sicht erfolgt. Genau hier setzt schon die erste Anmerkung an. Die am Anfang gegebenen Definitionen sind sehr klar, bis auf Eine. Es wird nicht definiert wie sich die Umma (die Gemeinde) zusammensetzt. Es ist also nicht klar, ob der Mufti von der gesamten islamischen Gemeinde oder lediglich von der wahhabitischen oder hanbalitischen Gemeinde ausgeht. Gerade dieser Aspekt kann erhebliche Auswirkungen darauf haben, ob ein Konsens besteht oder nicht.
Der Konsens findet nur hinsichtlich einer Regel des islamischen Rechts statt. In deutscher Rechtssprache ausgedrückt könnte man sagen: Es gibt nur einen Konsens über Rechtsfragen, aber nicht über den Tatbestand.
Bei den weiteren Ausführungen hinsichtlich des Beweises ist zu beachten, dass es ebenso nicht um den Beweis eines etwaigen Tatbestandes geht, sondern um den Beweis, dass unter den Gelehrten ein Konsens über eine Rechtsfrage besteht. Dementsprechend ist es auch nicht erforderlich, dass der Konsens für eine gewisse Dauer besteht. Es ist ausreichend, wenn er einmal erreicht wird.

Schlagworte: Konsens, Rechtsquelle, Gemeinde, Rechtsfragen, Beweis, Wahhabiten

11.06.2013

Süddeutsche Zeitung: Islamisten rufen zu Mord an Deutsch-Ägypter auf

Wieder einmal gibt es Anlass sich mit einer der unsäglichen und zum Glück seltenen Todesfatwas zu befassen. Und wieder liegt der Text nicht unmittelbar vor. Man kann hier bereits zweifeln, ob eine Fatwa, also ein islamisches Rechtsgutachten, überhaupt vorliegt.
Auch inhaltlich ist das, was die hiesigen Medien mitteilen, dünn. Es wird nicht viel mehr als die Rechtsfolge, nämlich die Todesstrafe, mitgeteilt. Zunächst einmal müsste allerdings der Tatbestand der Apostasie nachgewiesen werden. Auch hier bleibt es inhaltlich sehr dünn. Es wird lediglich mitgeteilt, dass Samad behauptet habe, dass die Eroberung Mekkas durch die Muslime die Saat für religiösen Faschismus gelegt habe. Es fehlt jeglicher Zusammenhang, in dem Samad diese These geäußert hat. Die Aussage mag zutreffend sein, jedenfalls ist sie belanglos. Die Einnahme Mekkas durch die Muslime war ganz sicher kausal für Vieles in der islamischen Geschichte. Ohne die Einnahme Mekkas wäre diese Geschichte sicher anders verlaufen. Der Begriff Eroberung indiziert im Übrigen eine Einnahme Mekkas durch Kampf. Das ist so nicht zutreffend, da sich die Mekkaner der Übermacht der Muslime ergeben haben. In der Sache ist ein reiner Kausalzusammenhang also nicht ausreichend um irgendeine These über den Islam fundiert zu begründen. Es fehlt eine Gewichtung und Bewertung dieses Zusammenhanges. Ich halte ihn jedenfalls für schwach, da er eine Vielzahl weiterer in der islamischen Geschichte dazwischentretender Aspekte nicht berücksichtigt. Ganz unerwähnt bleiben die positiven Aspekte der islamischen Geschichte.
Diese jedenfalls in Worten deutliche Kritik erfüllt meines Erachtens alleine noch nicht den Tatbestand der Apostasie. Der recht kurzen mitgeteilten Aussage lässt sich nicht entnehmen, dass Samad die theologischen Grundlagen des Glaubens abgelehnt hat. Da er sich selbst als Muslim betrachtet, fehlt jedenfalls der Vorsatz.
Leider kann nicht oft genug wiederholt werden, dass Fatwas Gutachten sind und damit schon keine Bindungswirkung entfalten und erst Recht nicht vollstreckbar sind. Vollstreckungsfähig sind nur Urteile. Schließlich kann man den Meldungen nicht entnehmen, ob Samad in der Fatwa die Möglichkeit der Reue eingeräumt wurde. Diese hebt die Strafe nämlich auf. Eine eigenmächtige Ausführung der Fatwa kann im Übrigen auch nach islamischem Recht als Lynchjustiz strafbar sein.
Insgesamt halte ich fest, dass die Fatwa in der Tat nicht zu rechtfertigen ist. Ein ganz anderes Thema, das davon getrennt zu betrachten ist, sind die Thesen und Meinungen Samads über seine Religion. Hier ist die Meinungsfreiheit und -pluralität ebenso gefordert. Ihm nun reflexhaft eine überhöhte Definitionsmacht zukommen zu lassen was und wie Islam ist, dient dem nicht.

Schlagworte: Strafrecht, Apostasie, Mekka, Vollstreckbarkeit, Reue, Hamed Abdel-Samad, Islamische Vereinigung, Ägypten

06.06.2013

Ask Imam: Tablighi Jamaat in Kazakhstan

Eine Fatwa mit überaus praktischer Bedeutung, die in formaler und inhaltlicher Hinsicht interessant ist, präsentiert der Fatwa-Online-Dienst Ask Imam. Es geht um das Verbot der religiösen Gemeinschaft Tablighi Jama'at in Kasachstan. In formaler Hinsicht ist interessant, dass zur Führung eines Prozesses vor staatlichen, nicht religiösen Gerichten eine Fatwa, also ein islamisches Rechtsgutachten, als Beweis eingeholt wird. Man sieht hieran sehr gut die Verschränkung von staatlichem und religiösen Recht. Für die Frage, ob nach staatlichem Recht ein Verbotstatbestand erfüllt ist, kann es also auf eine Fatwa ankommen.
Die Fatwa beginnt mit einem sehr deutlichen Koranvers. Angemessener für eine Beweisführung wird die folgende Schilderung und Bewertung der Überzeugungen und Aktivitäten der Tablighi Jama'at sein. Diese Schilderung kann man jedenfalls aus der Innensicht der Tablighi Jama'at als zutreffend bezeichnen. Die starke Religiosität, die durch diese Bewegung gefördert wird, mag allerdings in Einzelfällen zu einer Radikalisierung im Sinne des politischen Islamismus führen. Ein Verbot der gesamten Organisation wird dadurch allerdings nicht gerechtfertigt.

Schlagworte: Tablighi Jama'at, Prozess, Beweis, Verbotsverfahren, Kasachstan, Hanafiten