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Die aktuelle Fatwa: Januar 2015

19.01.2015

Dar al-Ifta' al-misriyya: Dar al- Iftaa invites Muslims to maintain self-control in reacting to Charlie Hebdo's new defaming cartoons.

Seit dem Anschlag auf Charlie Hebdo am 07.01.2015 hat das ägyptische Staatsmuftiamt mehrere Presseerklärungen herausgegeben. Bereits am Tag danach erschien eine Presseerklärung, in der das Amt den Anschlag scharf verurteilte. Die nachfolgenden Presseerklärungen befassen sich mit Terrorismus und der ersten Ausgabe von Charlie Hebdo nach dem Anschlag, so auch diese.
Durch die Erklärungen wird der Standpunkt des Staatsmuftiamtes klar. Einerseits werden die Anschläge bzw. Gewalt im Namen der Religion missbilligt. Andererseits werden auch die neuen Karikaturen missbilligt. Gleichwohl ruft das Amt die Muslime zu Ruhe und Besonnenheit im Umgang mit den Karikaturen auf.
Der Aufruf die Verunglimpfung religiöser Symbole und Glaubensvorstellungen zu kriminalisieren ist aus Sicht des Amtes als religöser Institution grundsätzlich nachvollziehbar. Es ist hier allerdings festzuhalten, dass beispielsweise in Deutschland sowohl die Religionsfreiheit als auch die Meinungs- und Pressefreiheit bereits grundrechtlich verbürgt sind. Man kann das Ansinnen also so verstehen, dass die Gewichtung zu Gunsten der Religionsfreiheit und zu Lasten der Meinungs- und Pressefreiheit verschoben werden soll. Es besteht also letztlich die Gefahr, dass Freiheitsrechte beschnitten werden.
Freiheitsrechte bedeuten allerdings die Einräumung eines Spielraumes, den jede Person für sich unterschiedlich nutzen kann, beispielsweise durch Äußern eines Bekenntnisses oder einer Meinung oder durch deren Wechsel. Das führt zur Pluralität. Dadurch werden die jeweiligen Individuen herausgefordert die grundsätzliche Tatsache zu achten, dass Andere abweichende Überzeugungen äußern. Gerade in der Tolerierung von Differenz bewähren sich die Freiheitsrechte. Eine Handreichung dazu gibt schließlich auch der Berater des Staatsmuftis, indem er empfiehlt eine Beleidigung des Propheten schlicht zu ignorieren.
Es bleibt allerdings in sämtlichen Presseerklärungen unklar, was das Amt als provozierend empfindet. Eine Fatwa mit deutlicher Herleitung von Tatbeständen und Rechtsfolgen hierzu ist wünschenswert. Die Presserklärungen lassen vermuten, dass das Amt nicht von einem grundsätzlichen Bilderverbot ausgeht, sondern dass es die Provokation in gegen das Ansehen Muhammads gerichteten Äußerungen sieht.
Insofern ergeben sich zumindest in Bezug auf das Titelbild der Ausgabe von Charlie Hebdo nach dem Anschlag einige Fragen. Die Überschrift "Alles ist vergeben" lässt sich meines Erachtens nur mit äußerster Mühe als beleidigend interpretieren. Wenn man nicht von einem grundsätzlichen Bilderverbot ausgeht, lässt sich auch schwer etwas gegen die Abbildung Muhammads einwenden. Am ehesten nachvollziehbar ist noch, dass das Schild, auf dem "Ich bin Charlie" steht, als beleidigend empfunden wird und zwar aufgrund der Gleichsetzung von Muhammad mit Charlie Hebdo. Im Sinne der Pluralität ist allerdings zu berücksichtigen, dass auch andere Deutungen möglich sind. Berücksichtigt man eine mögliche Sicht vor französischem Hintergrund, so drängt sich meines Erachtens auf, festzustellen, dass das Bezeichnende (das Schild) und das Bezeichnete (Muhammad) auseinanderfallen.

Schlagworte: Charlie Hebdo, Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Religionsfreiheit, Bilderverbot, Staatsmuftiamt, Frankreich, Ägypten

12.01.2015

OnIslam: Freedom of Expression from an Islamic Perspective

Seit dem Anschlag auf Charlie Hebdo am 07.01.2015 sind auf der Plattform OnIslam zahlreiche Fatwas zum Verhältnis von Islam und Gewalt publiziert worden. Aus diesem Rahmen fällt eine von dem bedeutenden orthodoxen Mufti Yusuf Qaradawi beantwortete Frage zur Redefreiheit heraus.
Er leitet seine Antwort mit einem grundsätzlichen Zitat des zweiten Khalifen Umar zur Freiheit des Menschen ein. Interessant ist allerdings schon der nächste Satz, in dem nicht nur die Redefreiheit, sondern auch die Freiheit zu Kritisieren genannt wird. Sodann zitiert Qaradawi zwei sehr bekannte Verse zur Glaubensfreiheit.
Im nächsten Absatz begründet er die Freiheitsrechte islamisch als himmlische Prinzipien und grenzt sie gegen gesellschaftliche Entwicklungen ab. Damit verleiht er ihnen zwar Gewicht, verneint aber eine islamische Aufklärung. Zudem schränkt er die Freiheiten im Hinblick auf die Ehre und Würde des Menschen sowie daraufhin ein, dass nicht mit der Religion gespielt werden darf.
Wenn die ganze islamische Gemeinde betroffen ist, kann sich die Rede- und Kritikfreiheit allerdings sogar zu einer individuellen Pflicht verdichten das Gute zu gebieten und das Schlechte zu verbieten. Interessant ist sodann der Vergleich mit dem Pharao, der seinen Zauberern verbieten wollte an den Gott Moses ohne seine vorherige Erlaubnis zu glauben. Das betrifft an und für sich die Glaubensfreiheit zu der auch die Äußerung des Bekenntnisses zählt. Diesen Aspekt bezieht Qaradawi allerdings auch auf die Redefreiheit an sich. Die Redefreiheit hängt damit also nicht von einer vorherigen Erlaubnis ab.
Im zweiten Teil der Fatwa kommt er sodann auf das Verhältnis von Freiheit und Sicherheit zu sprechen. Auch dazu sind seine Ausführungen sehr interessant. Zunächst einmal betrachtet er die Sicherheit als Grundlage für das Glück. Grundlage für die Sicherheit ist aber die Freiheit. Die Menschen sollen durch Freundlichkeit für den Islam gewonnen werden und nicht durch Gewalt verschreckt werden.
Da die Fatwas nun publiziert wurden, ist davon auszugehen, dass sie sich auf Charlie Hebdo beziehen sollen. Da Sie den Anschlag allerdings nicht erwähnen, ist es möglich, dass sie bereits früher erteilt wurden. Da Qaradawi der geistliche Vater der ägyptischen Muslimbrüder ist, ist auch eine ganz andere Lesart möglich. Letztlich führt die mögliche Wiederveröffentlichung der Fatwa aber immerhin zum kategorischen Imperativ.

Schlagworte: Charlie Hebdo, Redefreiheit, Kritikfreiheit, Religionsfreiheit, Sicherheit, Qaradawi

05.01.2015

malay mail online: After years of persecution, Ahmadiyya followers seek redress at civil court

Das Verhältnis von islamischem zu staatlichem bzw. anderem religiösen Recht ist ein wiederkehrender Anlass für Konflikte in Malaysia. Diesmal geht es um Anhänger der Ahmadiyya. Die Ahmadis betrachten sich selbst als Muslime, werden aber von den meisten anderen Muslimen nicht als Muslime betrachtet.
Die aktuelle Frage nahm ihren Anfang mit einem Vorfall vom 11.04.2014. Die Islamabteilung des malaysischen Bundesstaates Selangor nahm eine Gruppe Ahmadis fest, weil sie ein Freitagsgebet an einer Stelle verrichteten, die keine Moschee ist. Wie das Verbot genau hergeleitet wird, teilt die Pressemeldung nicht mit. Es erscheint darüber hinaus schon deshalb diskriminierend, weil 2011 den Ahmadis das Beten in einer Moschee verboten wurde.
Der Fall ist nun am obersten Gerichtshof Malaysias anhängig. Die Ahmadis warten hier nun mit einer äußerst interessanten Argumentation auf. Sie berufen sich nämlich u. A. auf eine Fatwa, die noch älter ist. Diese Fatwa hat das Fatwa-Komitee des Bundesstaates Selangor am 22.06.1998 erteilt. Die Fatwa kommt zu dem Schluss, dass Ahmadis Apostaten seien. Da nach dem islamischem Recht dadurch die Todesstrafe ins Spiel kommt, ist das eine mutige Argumentation oder die Ahmadis sind sich ihrer Sache sehr sicher. Die eigentliche Argumentation lautet nun wie folgt:
Wenn die Ahmadis keine Muslime sind, unterfallen sie auch nicht der islamischen Gerichtsbarkeit. Das bedeutet, dass der säkulare oberste Gerichtshof etwaige Urteile der unteren islamischen Gerichte aufheben müsste und auch nicht dorthin zurück verweisen dürfte. Es käme allenfalls eine Zurückverweisung an ein unteres säkulares Gericht in Frage. Diese Argumentation lässt sich durchaus hören, denn das islamische Recht ist religiöses Recht, das grundsätzlich an die Religionsangehörigkeit der jeweiligen Person anknüpft. Das gilt insbesondere für das Familien- und Erbrecht. Andere religöse Gemeinschaften dürfen ihrem eigenen Recht folgen. Allerdings kann in einem islamischen Staat gerade für den öffentlichen Raum das islamische Recht allgemeine Gültigkeit beanspruchen. Es ist also durchaus offen, zu welchem Ergebnis der Gerichtshof kommt.

Schlagworte: Ahmadiyya, islamisches Recht, staatliches Recht, Fatwawesen, Freitagsgebet, Selangor Islamic Department (JAIS), Selangor Islamic Council (MAIS), Oberster Gerichtshof, Malaysia