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28.06.2025
Bernama TV: Fatwa against Liberalism remains valid for Muslims - Selangor Mufti
Fatwas können eine lange Wirkungsdauer haben. Ein gutes Beispiel dafür ist eine vom Islamischen Rat des malaysischen Bundesstaates Selangor (MAIS) am 31.07.2014 veröffentlichte Fatwa. Darin wurden die Sisters in Islam (SIS), ein sozial engagiertes privates Unternehmen, verboten. Dagegen hatte SIS Klage eingereicht (vgl. Die aktuelle Fatwa vom 03.11.2014). Der Rechtsstreit ging durch die Instanzen (vgl. Die aktuelle Fatwa vom 04.03.2017 und Die aktuelle Fatwa vom 16.07.2017). Nach dieser Pressemeldung hat der Bundesgerichtshof Malaysias nun entschieden, dass die Fatwa auf SIS nicht anwendbar sei, weil es sich um eine Organisation, Vereinigung, Firma oder Institution handele. Fatwas würden nur für individuelle Personen gelten. Das berührt grundsätzliche Punkte des Fatwawesens und seiner Ausformung in Malaysia. Eigentlich hat eine Fatwa nämlich keine Bindungswirkung, richtet sich aber im Unterschied zu einem Urteil, das nur zwischen den Parteien bindend ist, an die Allgemeinheit. Es ist eine Rechtsmeinung bzw. ein Rechtsgutachten eines oder mehrerer islamischer Juristen (Muftis). Nach staatlichem malaysischem Recht können aber solche offiziellen Fatwas durch amtliche Veröffentlichung Bindungswirkung erlangen. Auch ohne eine solche Veröffentlichung dürfte allerdings eine Fatwa eines staatlichen Fatwarates Beachtung finden. SIS war also rechtlich beschwert.
Der Sultan von Selangor ermahnte SIS in Kenntnis des Urteils gleichwohl, das Wort „Islam“ nicht mehr in ihren Veröffentlichungen zu benutzen. Das dürfte ziemlich unmöglich sein, denn das Wort „Islam“ ist Bestandteil des Namens der Sisters in Islam. Der Staatsmufti von Selangor bekräftigte, dass die Fatwa für individuelle Muslime bindend bleibe. Liberalismus und religiöser Pluralismus würden den wahren Lehren des Islam widersprechen und könnten zu Abweichungen vom Islam führen, womit er die Gründe der Fatwa für das Verbot von SIS wiederholte.
In der Tat hatte SIS damit argumentiert, dass ein Unternehmen kein religiöses Bekenntnis abgeben kann. Dieser Argumentation ist der Bundesgerichtshof anscheinend nunmehr gefolgt. Das wirft dann aber in der Tat die Frage auf, wie ein Unternehmen das Wort „Islam“ im Namen führen kann. Ohne Weiteres ist also die Ermahnung des Sultans nicht von der Hand zu weisen. Man wird schon fordern können, dass ein solches Unternehmen durch Musliminnen und Muslime gebildet wird. Das wirft aber weitere Fragen auf: Müssen nur die entscheidenden Personen, eine Mehrheit der Mitarbeitenden oder alle Musliminnen oder Muslime sein? Und wer prüft den Glauben nach welchen Kriterien? Reicht das Glaubensbekenntnis aus? Es wird zu sehen sein, ob die staatlichen Institutionen nun nur versuchen, die Fatwa irgendwie zu retten, oder ob es zu weiteren Rechtsstreitigkeiten kommt. Jedenfalls ist erschreckend zu sehen, dass sich die staatlichen Institutionen in über 10 Jahren Prozess offensichtlich kein bisschen auf Liberalismus und Pluralismus zu bewegt haben, denn ein Prozess ist oft auch in anderer Hinsicht ein Prozess.
Schlagworte: Fatwawesen, Bindungswirkung, Liberalismus, Pluralismus, Sisters in Islam (SIS), Islamischer Rat Selangor (MAIS), Bundesgerichtshof, Malaysia
07.06.2025
Enab Baladi: Syrian Fatwa Council prohibits revenge killings outside judicial framework
Der Syrische hohe Fatwarat hat in einer Stellungnahme Blutrache und Selbstjustiz verboten. Der Rat bezieht sich dabei auf Muhammad, nach dem Blut, Ehre und Eigentum unverletzlich seien. Die Unterdrückten hätten das Recht, die Bestrafung ihrer Unterdrücker und ihre Rechte in ordentlichen Gerichtsverfahren einzufordern, die Beweise erforderten. Gerüchte und Selbstjustiz würden zu Zwietracht führen. Selbstjustiz werde bestraft. Es sei notwendig Gesetze zu erlassen und ungerechte Richter, die zur Unterdrückung der Menschen beigetragen hätten, zu entfernen.
Gerichtsverfahren mit Beweiserhebung entsprechen islamischem Recht. Die Botschaft, die der Fatwarat mit dieser Stellungnahme sendet, dürfte weniger in einer Sachauskunft über das islamische Recht liegen, als darin die syrischen Bürger und Bürgerinnen zu Frieden untereinander und zu Vertrauen in die im (Wieder)Aufbau befindliche syrische Justiz zu bewegen. Insofern ist es bedeutend, dass der Rat die Rechte der Unterdrückten bekräftigt. Aber auch der Hinweis auf erforderliche Beweise ist wichtig, da u. a. durch Beweise Willkür ausgeschlossen wird. Ebenso ist der Hinweis auf die Bestrafung von Selbstjustiz wichtig, um Chaos zu vermeiden. Allein der Erlass neuer Gesetze führt allerdings nicht hinreichend weit zur Gerechtigkeit hin. Die Gesetze müssen mit Leben gefüllt werden. Insofern ist folgerichtig ungerechte Richter, die zur Unterdrückung der Menschen beigetragen haben, aus dem Justizdienst zu entfernen. Sowohl bei der Besetzung der Richterposten als auch bei dem Inhalt neuer Gesetze wird sich zeigen, ob der Vertrauensvorschuss, den der Fatwarat beansprucht, gerechtfertigt ist. Denn es besteht die Gefahr in ein anderes Extrem zu verfallen. Es werden gute Richter benötigt, denn Rechtsprechung ist eine anspruchsvolle Tätigkeit.
Schlagworte: Blutrache, Selbstjustiz, Unterdrückung, Strafe, Gerichtsverfahren, Beweise, Gesetze, Richter, Hoher Fatwarat, Syrien