Die aktuelle Fatwa: Januar 2016
25.01.2016
Darul Ifta Birmingham: Is a semen analysis permissible
Diese Fatwa befasst sich mit künstlicher Befruchtung. Die verschiedenen Methoden künstlicher Befruchtung werden aufgelistet und kurz definiert. Der Mufti geht grundlegend davon aus, dass die Schöpfung von Leben allein Gottes Sache ist, wozu er entsprechende Koranverse zitiert. Sodann eröffnet er allerdings doch ein paar Wege zur künstlichen Befruchtung.
Im Laufe der Lösung befasst sich der Mufti zunächst mit den zu bedeckenden Körperteilen (Satr). Das betrifft auch den Mann als Samenspender. Falls der Kinderwunsch im Einzelfall unter die Kategorie der Notwendigkeit (Darura) eingeordnet werden kann, sind die Bedeckungsvorschriften allerdings insoweit aufgehoben. Im Laufe der Behandlung sollen die zu bedeckenden Körperteile jedoch nur vor Personen gleichen Geschlechts entblößt werden.
Ein weiteres Problem ist die Selbstbefriedigung, die nach verbreiteter Meinung verboten ist. Auch sie ist im Falle der Notwendigkeit erlaubt. Die verschiedenen Methoden der künstlichen Befruchtung sind allerdings nach Auffassung des Muftis nur erlaubt, wenn ausschließlich Ehemann und Ehefrau beteiligt sind. Diese Bedingung wird nach seiner Auffassung nicht durch die Notwendigkeit aufgehoben. Im Gegenteil, der Mufti zieht sogar eine Parallele zwischen der Fremdspende und der strafbaren Unzucht. Bei nicht behebbarer Unfruchtbarkeit ist also die Erfüllung des Kinderwunsches nicht möglich.
Schlagworte: künstliche Befruchtung, Bedeckung, Selbstbefriedigung, Notwendigkeit, Unzucht, Deobandis
18.01.2016
eShaykh: Taubatan nasooha – sincere repentance
Dieser sufische Fatwa-online-Dienst befasst sich mit der Reue (Tauba). Die spirituelle Sichtweise ist der Antwort deutlich zu entnehmen. Gleichwohl kann die Reue erhebliche praktische Konsequenzen entfalten, da die Reue bei bestimmten Straftaten strafbefreiend wirken kann, beispielsweise bei Apostasie. Ob die Reue ernsthaft ist, beurteilt dann der Richter (Qadi). Nicht alle vorgeschlagenen Methoden der Reue werden geeignet sein, um sie dem Richter in einem Straffall vorzutragen, insbesondere die wiederholte Rezitation frommer Sprüche.
Demgegenüber kann die Wiedergutmachung der Tat strafrechtlich ins Gewicht fallen. Auch das deutsche Strafrecht berücksichtigt bei der Strafzumessung beispielsweise den Täter-Opfer-Ausgleich.
Schlagworte: Strafrecht, Reue, Strafbefreiung
11.01.2016
Ask Imam: My question is regarding revocable divorce
Diese recht kurze Fatwa behandelt eine interessante Frage zum Scheidungsrecht, die erhebliche Auswirkungen haben kann. Die herrschende Lehre im islamischen Recht geht nämlich davon aus, dass der Mann die Scheidung (Talaq) dreimal aussprechen muss, damit sie wirksam wird. Nach Ausspruch einer Scheidung läuft eine Wartezeit (Idda), die nach der herrschenden Lehre drei Monate beträgt. In dieser Wartezeit kann die Scheidung zurückgenommen werden, wenn sich die Ehegatten wieder versöhnen.
Der Fragesteller möchte nun wissen, ob eine einmal ausgesprochene Scheidung, die zurückgenommen wurde, auch nichtig ist, also ob sie bei zukünftigen Aussprüchen der Scheidung mitgezählt wird oder nicht. Der Mufti meint, dass sie zähle, der Mann also nur noch zwei Scheidungen aussprechen könne. Das ist sicher nicht unumstritten und wohl auch nicht herrschende Lehre. Diese Meinung führt nämlich bei langlaufenden Ehen zu erheblichen Beweisproblemen, vor allem da weithin vertreten wird, dass der Mann die Scheidung formfrei erklären kann.
Schlagworte: Familienrecht, Scheidung, Wartezeit, Widerruf, Nichtigkeit, Hanafiten
04.01.2016
Islam - Q & A: What are the defects that must be disclosed to a potential marriage partner?
In dieser Fatwa geht es um eine Auskunftspflicht hinsichtlich psychischer Erkrankungen gegenüber potentiellen Ehepartnern. Das ist für beide Seiten bedeutend, da die Eingehung einer Ehe zahlreiche Auswirkungen auf das künftige Leben hat. Die Fragestellerin steckt dabei in dem Dilemma, dass gerade durch die Offenbarung der psychischen Krankheit eine Ehe möglicherweise nicht zustande kommt.
Der wahhabitische Mufti hat ein paar Probleme mit der Einordung der psychischen Krankheit. So betrachtet er sie zunächst als nicht real, räumt allerdings sodann die Möglichkeit ein, dass sie doch real sein könnte. Später schreibt er sie dem Teufel zu. Das Problem dürfte sein, dass der Mufti die Existenz der Krankheit an sich mit ihrer konkreten Ausformung vermischt. Psychische Krankheiten existieren ebenso wie körperliche Krankheiten. Psychische Krankheiten ziehen im Recht allerdings zum Teil erhebliche Beweisprobleme hinsichtlich ihres konkreten Vorliegens und ihrer Schwere u. Ä. nach sich. Gerade weil sie weniger sichtbar sind als körperliche Krankheiten, stellt sich ja die Frage der Auskunftspflicht.
Der Mufti meint sodann nachvollziehbar, dass es darauf ankomme, ob die Krankheit Einfluss auf die Eheführung habe. Durch die Zitierung weiterer Fatwas wahhabitischer Autoritäten macht er sowohl verschiedene Einzelfälle anschaulich als auch weitere Kriterien zur Bestimmung einer Auskunftspflicht, insbesondere Schwere und Dauerhaftigkeit der Krankheit.
Schlagworte: Familienrecht, Heirat, Krankheit, Auskunftspflicht, Wahhabiten