Die aktuelle Fatwa: Januar 2021
31.01.2021
Darul Ifta Birmingham: Is Receiving Incentives for Reducing Carbon Emission Permissible
Mit einem Thema, das manche für noch bedeutender halten als Corona, befasst sich dieser Fatwa-Online-Dienst, nämlich mit der Klimaerwärmung. Konkret wird gefragt, ob es erlaubt sei Fördermittel für die Reduzierung von Kohlenstoffemmissionen zu erhalten.
Die Antwort geht davon aus, dass der Mensch einer der Gründe für die Erderwärmung sei, da der Ausstoß von Kohlendioxid beispielsweise durch Kraftfahrzeuge ansteige. Äußerst interessant ist die nun folgende Anknüpfung an zwei Koranverse, in denen es um Verschwendung und Maßlosigkeit geht, was beides verboten ist.
Das mag bis hierhin alles noch nachvollziehbar sein, nur macht das Verbot der Verschwendung von Ressourcen und der daraus folgenden Klimaerwärmung nicht zwangsläufig die Ausschüttung von Fördermitteln für die Reduzierung von Kohlenstoffemmissionen erlaubt. Gerade im islamischen Recht stellt sich dann die Frage wie man solche Verträge zu formulieren hat, um beispielsweise verbotene Unsicherheit (Gharar) zu vermeiden. Emmissionen sind nunmal recht flüchtig und die Reduktion von Emissionen also ihr Nicht-Produzieren ist schwer greifbar. Es ging der Antwort wohl mehr darum darzulegen, dass es sich um ein hehres Ziel handelt dessen Verfolgung grundsätzlich erlaubt ist.
Interessant ist schließlich noch der Verweis auf eine Überlieferung von Muhammad, wonach Gott eitle Reden, Verschwendung und das Stellen von zu vielen Fragen hasst. Denn eine Fatwa besteht immer aus einer Frage und einer Antwort und es werden viele Fragen gestellt, wie ich letzte Woche dargelegt habe.
Schlagworte: Klimaerwärmung, Kohlendioxid, Emmissionen, Reduktion, Fördermittel, Verschwendung, Deobandis
24.01.2021
Khaleej Times: Dubai: Over 127,000 fatwas issued in 2020 amid Covid pandemic
Das Ende eines Jahres (nach christlicher Zeitrechnung) ist Anlass zurück zu schauen und Bilanz zu ziehen. So macht es die Abteilung für islamische Angelegenheiten und Wohltätigkeit in Dubai (IACAD). Danach hat die Abteilung 2020 127.000 Fatwas (islamische Rechtsgutachten) erlassen. Das ist eine beachtliche Anzahl, vor allem wenn man bedenkt, dass Dubai nur eins von sieben Emiraten der Vereinigten Arabischen Emirate ist und es dort noch den übergeordneten nationalen Fatwarat gibt, von dem ich letzte Woche berichtet habe. Zudem ergibt sich eine durchschnittliche tägliche Anzahl an Fatwas von knapp 350. Selbst wenn manche Fatwas nur kurze Antworten auf einfache Fragen sein sollten, verdeutlicht das, dass allein diese Behörde erheblich mit qualifiziertem Personal ausgestattet sein muss.
Ferner ergeben diese Zahlen im Zusammenhang mit der Beobachtung des Fatwawesens, dass ein großer Teil der Fatwas unspektakuläre Lösungen alltäglicher Probleme sind. Ein beachtlicher Teil insbesondere im Familienrecht sind allerdings beispielsweise Frauen benachteiligende Fatwas. Wirklich absurde Fatwas haben eine äußerst geringe Inzidenz. Insofern ist die mediale Berichterstattung über solche Fatwas mit Vorsicht zu genießen. Es kann daher regelmäßig von einer einzelnen Fatwa nicht auf das Fatwawesen oder gar den Islam im Gesamten geschlossen werden.
Schlagworte: Fatwawesen, Statistik, ICAD, Dubai, Fatwarat, VAE
17.01.2021
Salaam Gateway: LPPOM-MUI passes halal fatwa for Sinovac COVID-19 vaccine
Der Rat islamischer Gelehrter Indonesiens lässt seinen Worten Taten folgen und hat nach dieser Meldung eine Fatwa erlassen, in der er einen chinesischen Impfstoff gegen Corona für islamisch erlaubt (halal) erklärt hat. Die Prüfung durch die Medizin- und Lebensmittelbehörde auf Sicherheit, Qualität und Wirksamkeit stand vor ein paar Tagen noch aus. Das mag einen Hinweis auf die Prioritäten geben oder vielleicht einfach nur auf die Geschwindigkeit der Prüfung durch den Rat islamischer Gelehrter. Es folgt dann allerdings noch eine Behörde, die beide Ergebnisse betrachtet und dann ein sogenanntes Halal-Zertifikat ausstellt. Geplant war jedenfalls, dass der indonesische Präsident schon am 13. Januar geimpft werden sollte.
Nicht nur dort, sondern auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten wird mit gutem Beispiel vorangegangen. Der Vorsitzende des nationalen Fatwarates, Abdullah bin Bayyah, hat sich bereits impfen lassen (vgl. Khaleej Times: UAE Covid-19 vaccine: Fatwa council chief gets the jab). Das entspricht den Regeln des Fatwawesens, wonach der Mufti selbst entsprechend seiner Fatwa handeln soll.
Schlagworte: Corona, Impfung, Rat islamischer Gelehrter, Indonesien, bin Bayyah, Fatwarat, VAE
06.01.2021
Dar al-Ifta al-misriyyah: Using convalescent plasma to treat Covid-19 patients
Das ägyptische Staatsmuftiamt befasst sich in dieser Fatwa ausführlich mit der Behandlung von Corona-Patienten mit Blutplasma von Genesenen. Es kommt zu dem Schluss, dass die Behandlung eine religiöse und nationale Pflicht sei. Daran sieht man sehr schön, dass das Staatsmuftiamt Bezüge eben zum Staat und zur Religion hat. Nicht immer kommt es zu einer so harmonischen Lösung. Immer wieder erlässt es Fatwas, die staatliches Handeln aus religiöse Sicht kritisieren.
Begründet wird das Ergebnis mit dem Lebensschutz, wozu der sehr berühmte Koranvers herangezogen wird nach dem, wer ein Leben gerettet hat, so angesehen werden solle als ob er die ganze Menschheit gerettet habe. Da es sich bei dem Lebensschutz um ein Recht Gottes handele, sei er für die Menschen eine Pflicht. Das würde nun eigentlich eine Pflicht Genesener nahelegen ihr Plasma zu spenden. Stattdessen fährt die Fatwa allerdings lediglich fort, dass die Genesenen eine Gelegenheit verpassen würden, wenn sie es nicht tun. Dieses Ergebnis ließe sich erklären, wenn es sich bei der Pflicht um eine Kollektivpflicht (Fard al-Kifaya) handeln würde, also um eine Pflicht, die nur genug Menschen aus einer Gemeinschaft erfüllen müssen und nicht alle. Das wird in der Fatwa allerdings nicht mehr weiter ausgeführt.
Schlagworte: Corona, Plasma, Pflicht, Lebensschutz, Staatsmuftiamt, Ägypten