Die aktuelle Fatwa: März 2015
30.03.2015
Islam - Question & Answer: Do they have the right to declare their father legally incompetent and deny him access to his wealth, because he has grown old and senile, and he squanders the money?
Diese Fatwa befasst sich mit der Betreuung von geschäftsunfähigen Menschen. In der Frage wird die Senilität eines alten Mannes geschildert. Insbesondere geht es um den verschwenderischen Umgang mit seinem eigenen Vermögen. Angeblich kauft er Getränke zu Preisen von bis zu einer Million. Hier fehlt allerdings eine wesentliche Sachverhaltsangabe, nämlich die Währung.
Die Antwort legt zunächst dar, dass die Mehrheit der sunnitischen Rechtsgelehrten es erlaubt einen erwachsenen Menschen für geschäftsunfähig zu erklären und ihm den Zugriff auf sein Vermögen zu entziehen. Gründe dafür können insbesondere Verschwendung aufgrund von Geistesschwäche sein. Dabei spielt die Schwere der Geistesschwäche keine Rolle. Auch bei einer nur vorübergehenden Geistesschwäche kann der Zugriff auf das eigene Vermögen entzogen werden. Der Geistesschwäche entspricht bei älteren Menschen die Senilität. Diese Möglichkeit begründet der Mufti mit einem Koranvers sowie diversen weiteren Zitaten. Letztlich geht es um die Vermögenssorge, die durch einen Betreuer (Wali) wahrgenommen werden soll.
Schließlich macht der Mufti deutlich, dass die Frage der Betreuung allerdings nur durch einen Richter entschieden werden kann, da jeder Einzelfall eigenständig zu beurteilen ist. Der Richter soll den Fall untersuchen und Spezialisten heranziehen, vermutlich Ärzte. Schließlich kann man erkennen, dass zumindest in den Grundzügen erhebliche Ähnlichkeiten zwischen dem islamischen und dem deutschen staatlichen Betreuungsrecht bestehen.
Schlagworte: Familienrecht, Betreuung, Betreuer, Geschäftsunfähigkeit, Verschwendung, Geistesschwäche, Senilität, Vermögenssorge, Richter, Wahhabiten
23.03.2015
Dar al-Ifta' al-misriyya: Dar al- Iftaa strongly condemned killing 122 Yemeni people in two mosques attacks in Sana’a
Das ägyptische Staatsmuftiamt missbilligt die Anschläge auf zwei schiitische Moscheen in Sana'a deutlich. Eine entsprechende Presseerklärung findet man derzeit auf der Website des Amtes. Überaus wichtig ist, dass das gemäßigt sunnitische ägyptische Staatsmuftiamt damit Schiiten als Muslime anerkennt. Das ist zumindest bei radikalen Sunniten nicht selbstverständlich. Das Amt wendet sich damit auch gegen das zu weit gehende Für-ungläubig-erklären (Takfir) anderer Muslime, um sie als vermeintliche Apostaten töten zu dürfen.
Weiterhin wird in der Presseerklärung ein Koranvers zitiert, der für Angriffe auf Moscheen diesseitige Schande und jenseitige Strafe vorsieht. Das Amt setzt damit ein Signal für die Einheit der Muslime über die verschiedenen konfessionellen Unterschiede hinweg.
Schlagworte: Moschee, Schiiten, Sunniten, Apostasie, Takfir, Staatsmuftiamt, Ägypten, Jemen
16.03.2015
Ask Imam: Interest free transaction
Ein schönes Beispiel islamkonformen Wirtschaftens liefert diese Fatwa. Es geht um einen Autokauf. Das ursprüngliche Angebot beinhaltet eine Finanzierung mit einem jährlichen Zinssatz in Höhe von 1,9 %. Der Fragesteller hat nun dem Verkäufer erklärt, dass Zins im Islam verboten sei. Zwar kann man den arabischen Ausdruck Riba auch als Wucher interpretieren, die herrschende Meinung sieht ihn allerdings tatsächlich als Zins an. Der Verkäufer war nach dieser Erklärung bereit die Struktur des Geschäfts dahingehend zu ändern, dass keine Finanzierung mit einem Zins vereinbart werden soll, sondern dass die für die Zinsen kalkulierte Summe als Aufpreis auf den Kaufpreis aufgeschlagen wird. Dem Käufer wird gleichwohl nachgelassen die Summe in Raten abzuzahlen. Es handelt sich damit um eine Murabaha (Ratenzahlungskauf) gemäß den Grundsätzen der Islamic Finance.
Die Schilderung der Frage legt hier nahe an eine (verbotene) Umgehung zu denken. Das erwähnt der Mufti allerdings mit keinem Wort. Stattdessen befasst er sich mit den Bedingungen des islamkonformen Wirtschaftens. Er hat grundsätzlich keine Bedenken gegen diese Vertragsgestaltung, wenn der Aufschlag komplett in den Kaufpreis einkalkuliert wird. Weiterhin macht er deutlich, dass es sich beim islamischen Wirtschaften nicht lediglich um eine äußere Umdekorierung von Geschäften handelt. So dürfen auch für eine verspätete Ratenzahlung keine verbotenen Zinsen verlangt werden.
Schließlich schlägt er eine weitere Möglichkeit der Vertragsgestaltung vor, nämlich eine Art Kaufleasing (Idschara). Dann bleibt der Verkäufer Eigentümer des Autos bis der Käufer alle Raten gezahlt hat.
Schlagworte: Islamic Finance, Murabaha, Idschara, Zins, Wucher, Auto, Hanafiten
09.03.2015
OnIslam: Women Abused in Muslim Countries
Diese Fatwa ist bemerkenswert, da nicht nur die Frage von einer Frau gestellt wird, sondern auch die Antwort von einer Frau gegeben wird. Das sieht das islamische Recht zwar theoretisch vor, praktisch sieht es allerdings regelmäßig anders aus. Gleichwohl wird der Doktortitel der Muftiyya, den sie mit einer Arbeit über islamisches Recht in Malaysia erworben hat, unterschlagen.
Inhaltlich geht es um Gewalt gegen Frauen innerhalb der Familie. Die Muftiyya führt zunächst das Beispiel Muhammads an, der seine Frauen und Töchter immer gut behandelt habe. Sodann bezieht sie sich auf eine Überlieferung Muhammads, die herangezogen würde, um Gewalt gegen Frauen zu rechtfertigen. Danach habe Muhammad berücksichtigt, dass in Medina die Männer ihre Frauen regelmäßig missbrauchten. Angesichts der Unzahl an Überlieferungen ist es misslich, dass die Muftiyya nicht im Wortlaut zitiert, was Muhammad gesagt haben soll. Sie fährt dann lediglich fort, dass diese Überlieferung nicht zur Begründung herangezogen werden kann, da es sich um eine Übergangsphase zum kompletten Verbot von Gewalt gegen Frauen gehandelt habe.
Abschließend gibt die Muftiyya den Hinweis, dass Frauen das Recht haben, den Missbrauch vor Gericht zu bringen. Das Gericht kann dann den Mann bestrafen.
Schlagworte: Fatwawesen, Muftiyya, Strafrecht, Gewalt, Frau, Familie
02.03.2015
Dar al-Ifta' al-misriyya: Dar Al-Iftaa condemns the destruction of ancient Assyrian artifacts and statues at Mosul Museum
Das ägyptische Staatsmuftiamt missbilligt die Zerstörung von Kulturschätzen durch ISIS in Mossul deutlich. Eine entsprechende Presseerklärung findet man derzeit auf der Website des Amtes. Diese bezieht sich auf eine weitere Stellungnahme, die nicht als Fatwa bezeichnet wird, obwohl in der Presseerklärung einmal von einer Antwort die Rede ist, was eine Fatwa nahe legt.
Inhaltlich bezieht sich das Amt zunächst auf die Prophetengefährten, die beispielweise bei der Eroberung Ägyptens die Pyramiden nicht angetastet haben, sondern dort sogar gebetet haben. Weiterhin verweist das Amt auf einen Koranvers und eine Prophetentradition.
Das Amt weist auch das Argument zurück, dass solche Monumente zu Götzendienerei führen würden. Im Islam sei nicht die Verehrung von Anderem als Gott verboten, sondern die Anbetung von etwas Anderem als Gott. Das Amt spricht in diesem Zusammenhang deutlich aus, dass ISIS das Konzept der Beigesellung anderer Götzen zu Gott (Schirk) nicht verstanden hat. Deshalb ist der Kniefall der Engel vor Adam ein Akt des Glaubens, aber der Kniefall vor Götzen ein Akt des Unglaubens.
Vor allem, dass viele Monumente in einer bis zu vierzehnhundertjährigen islamischen Geschichte nicht zerstört wurden, ist ein gewichtiges Argument für die herrschende islamische Lehrmeinung. Schließlich ruft das Amt u. a. Geistliche auf davon abweichenden Fatwas etwas entgegen zu setzen.
Schlagworte: ISIS, Kulturschätze, Mossul, Pyramiden, Götzen, Adam, Staatsmuftiamt, Ägypten