Die aktuelle Fatwa: März 2023
19.03.2023
The Islamic Fatwa Council: Palestinian Human Rights in Gaza
In zahlreichen israelischen bzw. jüdischen Medien und politisch sehr weit rechts stehenden (amerikanischen) Medien wird derzeit eine Fatwa diskutiert, die der Hamas die islamische Legitimität abspricht. Sie wurde vom noch recht neuen Islamischen Fatwarat mit Sitz im Irak erlassen. Vorsitzender ist Großayatollah Fadhil al-Budairi. Auf der Website wird noch mitgeteilt, dass in den letzten zehn Jahren ein Drittel der Studierenden des Islamischen Seminars in Najaf bei ihm ihren Abschluss gemacht hätten. Er selber verfüge noch über einen Abschluss in Biologie und sei sogar eine Quelle der Nachahmung (Mardscha at-Taqlid) (Chairman of The Islamic Fatwa Council) also noch eine Stufe über einem Großayatollah und damit auf der höchsten Stufe schiitischer Geistlicher. Gleichwohl soll sich der Fatwarat laut Website aus Geistlichen aller islamischer Richtungen zusammensetzen. An Selbstbewusstsein mangelt es dem Rat jedenfalls nicht, denn unter den angebotenen Diensten findet sich auch die Ernennung von Großmuftis.
Bei der Fatwa fällt zunächst auf, dass die Frage fehlt, die die Fatwa üblicherweise auslöst. In der sofort ansetzenden Antwort bezieht sich der Rat auf nicht weiter genanntes Audio- und Videomaterial in dem palästinensische Bürger befragt wurden. Dann wird allerdings erwähnt, dass die Durchsicht dieses und weiteren Materials zur Hamas auf den zahlreichen Bitten Gläubiger an den Rat beruhe. Der Rat kommt dadurch zu dem Schluss, dass die Hamas die Verantwortung für ihre Herrschaft der Korruption und des Terrors gegen palästinensische Bürger trage. Es sei verboten für die Hamas zu beten, zu kämpfen oder sie auf andere Art und Weise zu unterstützen. Der Fatwarat würde sie ebenso wie der Fatwarat der Vereinigten Arabischen Emirate und der Rat der obersten Gelehrten Saudi-Arabiens als terroristische Organisation bezeichnen. Die Hamas würde den Islam entehren. Das entspricht in seiner Deutlichkeit dem ganzen sehr selbstbewussten Auftritt dieses noch recht jungen Rates.
Schlagworte: Hamas, Terrororganisation, Islamischer Fatwarat, Irak
12.03.2023
OpIndia: Kerala Muslim couple, who remarried under Special Marriage Act, faces threats, fatwa issued calling it ‘drama’ to ‘mock religious personal law’: Details
Nach Meldungen mehrerer indischer Zeitungen hat eine sunnitische Universität eine Fatwa zu einer Heirat nach staatlichem Recht erlassen. Das Ehepaar war bereits 29 Jahre islamisch verheiratet. Dass sie nun staatlich heirateten lag daran, dass sie wollen, dass ihr Vermögen im Erbfall vollständig auf ihre drei Töchter übergeht. Nach islamischen Recht würden die Töchter nämlich nur zwei Drittel erben, obwohl das Paar keine Söhne hat. Das restliche Drittel würden andere Verwandte erben.
Diese Heirat würde darauf abzielen religiöses Recht zu verhöhnen, meint der Fatwarat der Universität. Dass das Vermögen auf die Kinder übergehen müsse, sei habgierig. Etwas überraschend wird aber auch festgestellt, dass es kein Gesetz gäbe, das verhindere das ganze Vermögen zu Lebzeiten auf die Kinder zu übertragen. Es wird also immerhin eine Lösung für das Problem angeboten. Gleichwohl haben die Eheleute nach 29 Jahren nunmehr dem staatlichen Recht den Vorzug gegeben. Das Gesetz von 1954 ermöglicht u. a. auch gemischt-religiöse Ehen. Das islamische Recht ist somit in verschiedenen Punkten strenger.
Schlagworte: Familienrecht, Erbrecht, Ehe, islamisches Recht, staatliches Recht, Indien
05.03.2023
The Siasat Daily: AIMJ chief issues fatwa against Muslim women wearing ‘Sindoor’, ‘Bindi’
Ein angeblich bekannter indischer Geistlicher hat eine Fatwa zu Hindu-muslimischen Ehen erlassen. Er ist Vorsitzender der All India Muslim Jamaat (AIMJ). Das klingt nach mehr als es wahrscheinlich ist, denn es scheint sich um eine Organistion der sufisch orientierten Barelwi-Bewegung zu handeln, lässt also die im indischen Subkontinent sehr mitgliederstarke Bewegung der Deobandi außen vor. Zudem ist die Organistion erst wenige Monate alt.
Nach der Fatwa dürften muslimische Frauen keine Symbole anderer Religionen tragen. Die Frauen könnten deshalb exkommuniziert werden. Es verwundert, dass (zumindest im Presseartikel und wohl auch in der Fatwa) zunächst von muslimischen Frauen die Rede ist, die nach Heirat mit einem Nichtmuslim hinduistische Symbole tragen würden. Erst danach wird erwähnt, dass eine solche Heirat schon von vorneherein nichtig sei, wozu der Mufti aus dem Koran zitiert (vermutlich Sure 2, 221). Schon die nichtige Ehe kann eventuell zu Unglauben führen, es steht aber jedenfalls der Straftatbestand der Unzucht (Zina) im Raum. Weitere Indizien für eine Apostasie können nach teilweiser vertretener Meinung dann in der Tat die Benutzung von Symbolen anderer Religionen sein. Insofern ist die Antwort jedenfalls im Presseartikel chronologisch nicht sinnvoll aufgebaut.
In mehreren indischen Bundesstaaten gäbe es sogar Antikonversionsgesetze, aber indische Jugendliche würden ihre Religion verheimlichen und gleichwohl heiraten. Insofern kann man diese Fatwa auch als einen Versuch ansehen Regeln, die nicht mehr akzeptiert werden, gleichwohl hochzuhalten.
Schlagworte: Familienrecht, Ehe, Muslime, Hindus, Symbole, Apostasie, Barelwis, Indien