Die aktuelle Fatwa: April 2015
27.04.2015
Dar al-Ifta' al-misriyya: What is the ruling on statues and plastic arts?
Recht ausführlich setzt sich das ägyptische Staatsmuftiamt mit Statuen u. Ä. in dieser Fatwa auseinander. Dabei stellt es seine grundlegende Rechtsauffassung bereits im ersten Absatz sehr deutlich dar. Letztlich liegt der Grund ('Illa) in der Anbetung von Statuen als Götzen. Das bedeutet, dass Statuen grundsätzlich erlaubt sind, nur ihre Anbetung ist verboten. Das belegt das Staatsmuftiamt in diesem und den folgenden Absätzen durch zahlreiche Prophetentraditionen.
Bemerkenswert ist der Bezug zu Muhammad Abduh, Staatsmufti Ägyptens vor über 100 Jahren, und Raschid Rida, die man beide als Salafiten bezeichnen kann. Die allerdings auch beide eher die Vereinbarkeit von Islam und Moderne vertraten und somit abzugrenzen sind von den derzeit auffälligeren Salafisten, die stärker rückwärtsgewandte Auffassungen vertreten.
Ein längerer Abschnitt ist ferner der Fotografie gewidmet. Diese fällt nicht in die Kategorie der Statuen, was klassischen Lehrmeinungen entspricht. Die nicht in dieser Deutlichkeit mitgelieferte Begründung ist, dass es sich bei Fotografien nur um Abbildungen handelt und nicht um gegenständliche Darstellungen.
Im weiteren Verlauf legt der Mufti dar, dass es auf den Grund des Verbots und nicht die Bezeichnung von Gegenständen ankommt. Im Verlauf dessen schildert er eine etwas kuriose selbst erlebte Begebenheit, in der es um den "Whiskey der Rechtschaffenen" geht, der entgegen seiner Bezeichnung keinen Alkohol enthält. Diejenigen, die Prophetentraditionen nur nach ihrem Wortlaut interpretieren und nicht nach ihrem Sinn, bezeichnet der Mufti schließlich nicht als Spezialisten, die zur Auslegung berufen sind.
Schlagworte: Statuen, Fotografie, Götzen, Salafiyya, Muhammad Abduh, Raschid Rida, Staatsmuftiamt, Ägypten
20.04.2015
The Rakyat Post: National Fatwa Council considers MH370 victims legally dead
Die rechtliche Aufarbeitung des am 8.3.2014 verschwundenen Flugzeugs des Flugs MH370 der Malaysia Airlines hat gerade begonnen. Der National Fatwa Council hat eine entsprechende Fatwa erlassen. Es geht um die Feststellung des Todes der Passagiere. Diesen hatte der Direktor der malaysichen Luftverkehrsbehörde bereits im Januar festgestellt. Dem schließt sich der nationale Fatwarat nun an.
Inhaltlich geht es um die islamrechtliche Behandlung Verschollener (Mafqud). Unter den islamischen Gelehrten gibt es unterschiedliche Meinungen darüber, wie lange die Zeitspanne sein muss, bis ein Verschollener für tot erklärt werden kann. Der Fatwarat schließt sich pragmatisch der Auffassung des Gesetzgebers bzw. der Regierung Malaysias an. Angesichts des Ablaufs eines Jahres sowie der intensiven Suche nach Flug MH370, auf die hingewiesen wird, ist das nachvollziehbar.
Die Fatwa ist in mehrfacher Hinsicht bedeutsam. Zum Einen werden in den Staaten Südostasiens Fatwas häufig durch das nationale Recht und entgegen klassischem islamischem Rechtsverständnis mit Bindungswirkung versehen. Das würde in dem Fall eine verbindliche (religiös-)rechtliche Feststellung des Todes der Passagiere bedeuten. Zum Anderen ist gerade das Familien- und Erbrecht in islamischen Staaten, auch wenn es sich um staatliches Recht handelt, häufig (stark) vom islamischen Recht beeinflusst. Die Einzelfälle in diesen Rechtsgebieten können nun gelöst werden.
Schlagworte: Flug MH370, Malaysia Airlines, Fatwawesen, staatliches Recht, Familienrecht, Erbrecht, Tod, Verschollenheit, Malaysia
13.04.2015
Islamweb: Sexual abusers of children fall under threats against wrongdoers
Ein sehr heikles Thema wird in dieser Frage angesprochen. Es geht um Kindesmissbrauch. Die Fragestellerin ist mittlerweile 27 Jahre alt, was zeigt wie lange solche Misshandlungen wirken. Sie fragt u. a., ob Gott sie hasst, was die Schuldgefühle aus Opfersicht sehr deutlich macht. Da der Täter zur Familie gehört, kam es bisher nicht zu einer offiziellen Strafverfolgung.
Auch die Antwort geht eher auf die psychologischen und theologischen Aspekte aus der Perspektive des Opfers ein, als auf die Strafbarkeit des Täters. Der Mufti erwähnt lediglich kurz eine mögliche Strafbarkeit wegen Unzucht (Zina). Ferner fügt er an, dass im Koran und den Prophetentraditionen keine eigenständige Strafbarkeit für Kindesmissbrauch vorgesehen ist.
Ausführlicher wird die Frage nach der Verantwortlichkeit der Frau des Täters beantwortet. Hier wird klargestellt, dass die Frau nicht für die Taten ihres Ehemanns verantwortlich ist. Ferner ist sie nicht verpflichtet den Anschuldigungen gegen ihren Mann Glauben zu schenken. Das ist insofern zutreffend, als dass erst durch einen Prozess die Strafbarkeit rechtskräftig festgestellt wird. Nach Meinung der Mehrheit der Rechtsgelehrten müsste sie sich noch nicht einmal von ihrem Mann trennen, wenn sie den Anschuldigungen Glauben schenkt.
Eingekleidet werden diese Ausführungen mit Ratschlägen zur Überwindung dieses Unglücks. Schließlich führt der Mufti eine Prophetentradition an, nach der dem Opfer jedesmal wenn es sich wieder an ein Unglück erinnert und dabei einen frommen Spruch ausspricht, eine Belohnung bei Gott zukommt. Ergänzend wird die Möglichkeit des Vergebens aufgezeigt, die ebenfalls zu einer Belohnung führt. Nach den Formulierungen in der Fatwa zu urteilen, ist dem Mufti wohl bewusst, dass das ein sehr großer Schritt ist, der nicht zwingend vom Opfer erwartet werden kann. Zuallerletzt beantwortet der Mufti deutlich, dass ein Unglück oder eine Ungerechtigkeit nicht bedeutet, dass Gott diesen Menschen hasst.
Schlagworte: Strafrecht, Kindesmissbrauch, Unzucht, Scheidung, Theologie
06.04.2015
OnIslam: DNA: Can It Be a Sole Proof to Establish Paternity?
In dieser Frage geht es um die DNA, also durch naturwissenschaftliche Methoden ermittelte genetische Informationen, als Beweismittel. In der Vorrede werden zunächst die biologischen Grundlagen der DNA erklärt. Danach werden die Antworten von drei Muftis wieder gegeben.
Allen Antworten ist gemeinsam, dass sie die DNA als alleiniges Beweismittel ablehnen. Materiellrechtlicher Hintergrund ist die Strafbarkeit der Unzucht (Zina). Der erste Mufti verweist auf die klassischen Beweismittel der Zeugenaussage und des Geständnisses. Ebenso wie der zweite Mufti ordnet er die DNA eher als Indiz ein. Er sieht die spezielle Problematik im Bereich der Unzucht darin, dass die DNA nicht beweisen kann, ob die Beteiligten willentlich handelten. Das ist in der Tat ein wichtiger Punkt, denn beispielsweise bei einer Vergewaltigung handelt das Opfer nicht willentlich und hat sich deshalb nicht strafbar gemacht. Der dritte Mufti fügt noch das Beispiel einer Schwangerschaft an, die ebenso wenig eine Unzucht beweisen kann.
Man kann hier ein Festhalten an klassischen Regeln des islamischen Rechts erkennen. Die strenge Begrenzung auf Zeugenbeweis und Geständnis führt allerdings dazu die Aussprache schwerer Leibesstrafen wie im Falle der Unzucht zu reduzieren, was die Muftis in ihren Antworten auch ansprechen.
Schlagworte: Strafprozessrecht, Zeugen, Geständnis, Unzucht, DNA