Die aktuelle Fatwa: Mai 2017
28.05.2017
The News International: Religious scholars issue unanimous fatwa declaring suicide attacks Haram
Laut verschiedenen Pressemeldungen wurde in Pakistan just eine kollektive Fatwa gegen Selbstmordattentate erlassen. Die 31 Gelehrten versammelten sich an der staatlichen International Islamic University in Islamabad. Die Ablehnung von Selbstmordattentaten entspricht der herrschenden Meinung im islamischen Recht.
Erfreulich ist, dass die Fatwa sich laut Pressemeldung sehr weit gegen jegliche Form der Gewalt bei der Anwendung von islamischem Recht ausspricht. Unklar bleibt demgegenüber, dass sich die Gelehrten für eine wahre Umsetzung des pakistanischen Gesetzes gegen Blasphemie ausgesprochen haben. Denn das Blasphemiegesetz erfordert gerade den Einsatz von staatlicher Gewalt für die Durchsetzung islamischer Vorstellungen.
Die Namen der Unterzeichner deuten allerdings darauf hin, dass hier tatsächlich Gelehrte verschiedener Richtungen, wie behauptet, mitgewirkt haben, nämlich auch Schiiten und Sufis.
Schlagworte: Selbstmordattentate, Gewalt, Blasphemiegesetz, International Islamic University Islamabad, Pakistan
21.05.2017
Darul Ifta Birmingham: Divorce in the state of anger
Der Fragesteller schildert folgenden Sachverhalt: Die Schwester seiner Frau würde schlecht über seine Mutter reden. Dann habe er in Wut und unter dem Einfluss von Schlaftabletten erklärt, dass ihre Beziehung beendet sei, wenn sie nochmal mit ihrer Schwester rede. Die Bedingung ist nun eingetreten.
Der hanafitische Mufti unterscheidet danach, ob die Scheidung eindeutig (sarih) oder indirekt (kinaya) erklärt wurde. Im Falle, dass die Scheidung eindeutig erklärt worden ist, würde die Absicht (Niya) keine Rolle spielen. Bei der indirekt erklärten Scheidung kommt es dann nachvollziehbar auf die Absicht an, d. h. je nach ermittelter Absicht kann eine Scheidung eintreten oder nicht.
Nicht nachvollziehbar ist allerdings, dass eine eindeutig erklärte Scheidung widerruflich sein soll, während gerade die indirekt erklärte Scheidung, wenn sie eintritt, unwiderruflich sein soll. Das bedeutet nämlich, dass in letzterem Fall nicht die Wartezeit (Idda) zu laufen beginnt, sondern im Falle einer Versöhnung eine neue Ehe unter Einhaltung aller Bedingungen geschlossen werden muss. Der Mufti begründet diesen Unterschied leider nicht. Genauso wenig geht er auf die in der Frage deutlich geschilderte Möglichkeit einer zeitweisen Geschäftsunfähigkeit ein.
Schlagworte: Familienrecht, Scheidung, Erklärung, Bedingung, widerruflich, unwiderruflich, Geschäftsfähigkeit, Deobandis
14.05.2017
Fatwa Center of America: Schreibweise von Allah
Dieser Fragesteller möchte wissen wie man das Wort Allah korrekt in Englisch schreibt, denn er sei in einer elektronischen Kommunikation aufgefordert worden es komplett in Großbuchstaben zu schreiben. Zutreffend ergänzt er noch, dass es im Arabischen keine Großbuchstaben gibt.
Der sunnitische Mufti von der amerikanischen Ostküste meint, dass die Bezeugung von Respekt gegenüber Allah, also Gott, von der Sprache abhänge, da die Sprachen unterschiedliche Regeln haben. In Englisch ist Allah also groß zu schreiben. Für eine Verletzung des islamischen Rechts ist allerdings eine entsprechende Absicht (Niya) erforderlich. Tippfehler oder unwissentliche Falschschreibungen stellen also keinen Verstoß dar.
Der Mufti löst also ein schon nach Ansicht des Fragesteller möglicherweise triviales Problem mit einer sehr sauberen Anwendung des islamischen Rechts mit Schwerpunkten auf dem Grund des Gebots und der Absicht. Abschließend meint er das ganze Wort groß zu schreiben sei weder erforderlich noch verpflichtend. Allenfalls hier hat er einen Aspekt übersehen. Durchgehende Großschreibung gilt nach einer weit verbreiteten Konvention in der elektronischen Kommunikation als Schreien. Demnach könnte man also die komplette Großschreibung des Wortes Allah geradezu verbieten.
Schlagworte: Allah, Respekt, Schreibweise, Sprache, Absicht, elektronische Kommunikation
08.05.2017
Ahram Online: Egyptian parliament committee approves draft law limiting the issuing of fatwas to licensed clerics
Nun wird umgesetzt, was lange angekündigt wurde. Das Fatwawesen wird in Ägypten per Gesetz reguliert. Der entsprechende Parlamentsausschuss hat dem Gesetz bereits zugestimmt. Danach müssen Muftis künftig eine Lizenz erwerben. Lizenzen erteilen das Ministerium für islamische Angelegenheiten und Stiftungen, die Azhar-Universität und das Staatsmuftiamt. Die Lizenpflicht gilt ausdrücklich für das Verbreiten von Fatwas durch Massenmedien wie Fernsehen und Radio. Verstöße können mit Geld- und Freiheitsstrafe geahndet werden.
Das Ziel ist an und für sich löblich, nämlich islamistische Fatwas einzudämmen. Es birgt allerdings auch die Gefahr einer zu starken Vereinheitlichung der Rechtsauslegung, die in Richtung eines Staatsislams führen könnte. Gerade das Fatwawesen lebt ja von der Meinungsvielfalt unterschiedlicher Auslegungen. Das Wort Fatwa selber kann man nicht nur mit Rechtsgutachten, sondern auch mit Rechtsmeinung übersetzen.
Selbstverständlich muss der Mufti das notwendige Fachwissen im islamischen Recht und der islamischen Theologie haben. Innerhalb der fachlichen Grenzen ist er allerdings frei in seiner Auslegung. Andererseits gehört zur Befähigung des Muftis auch die Absolvierung eines entsprechenden Studiums mit dem Erwerb von Lizenzen bzw. Diplomen. Auch nach der Höhe des erreichten Grades bestimmt sich inwieweit der Mufti zur Rechtsauslegung befähigt ist. Letztlich besteht also die Gefahr, dass von den gesetzlich bestimmten Lizenzgebern bei anderen Rechtsschulen erworbene Lizenzen nicht anerkannt werden.
Schlagworte: Fatwawesen, Lizenz, Massenmedien, Strafe, Ägypten
03.05.2017
BBC News: Female Islamic clerics in Indonesia issue rare child marriage fatwa
Laut diversen Pressemeldungen wurde in Indonesien eine in mehrerer Hinsicht bemerkenswerte Fatwa erteilt. Formell bemerkenswert ist, dass die Fatwa von mehreren hundert islamischen Theologinnen erteilt wurde. Es dürfte zutreffend sein, dass es sich bei der Konferenz um das erste derartige Zusammentreffen handelt.
Inhaltlich hält die Fatwa eine Anhebung des Heiratsalters für Mädchen in Indonesien von 16 auf 18 Jahre für verpflichtend. Kinderheiraten werden in der Fatwa angeblich als schädigend bezeichnet. Letzteres lässt Spielraum Kinderheiraten als missbilligt (makruh) oder verboten (haram) anzusehen.
Gerne wird in diesem Zusammenhang auf die Fachkunde von Frauen in weiblichen Angelegenheiten hingewiesen, was zutreffend ist. Im Gegenzug werden bisher rein männlich besetzte Gremien kritisiert. Es ist allerdings zu beachten, dass die Grundsätze der Befangenheit genauso für rein männlich wie rein weiblich besetzte Gremien gelten. Immerhin bilden weibliche Gremien insgesamt ein Gegengewicht zu bisher weit überwiegend männlich besetzten Gremien.
Schließlich ist festzuhalten, dass die hier vertretene islamische Rechtsmeinung fortschrittlicher ist als das staatliche Recht Indonesiens, das mehr oder weniger vom Islam bzw. von männlichen islamischen Gremien beeinflusst ist.
Schlagworte: Familienrecht, Kinderheirat, Heiratsalter, Fachkunde, Befangenheit, Women's Ulema Congress, Indonesien