The Sun Daily Malaysia: No fatwa on models yet
Seit etwa zwei Wochen wird in Malaysia wieder einmal um das Verhältnis von Religion und Staat gestritten. Diesmal geht es um eine Fatwa die Musliminnen die Teilnahme an Schönheitswettbewerben verbietet. Diese Fatwa stammt schon aus dem Jahre 1996. Aufgrund der besonderen gesetzlichen Struktur Malaysias beansprucht auch diese Fatwa Bindungswirkung. Die demokratische Legitimation des obersten malaysischen Fatwagremiums bleibt weiterhin sehr zweifelhaft.
Das Alter der Fatwa macht zudem die enorme zeitliche Wirkung deutlich, die Fatwas haben können. Leider liegt der Originaltext nicht vor, so dass man über ihren Inhalt nur spekulieren kann.
Nach den Worten des Kanzleramtsministers verbietet sie nur die Teilnahme an Schönheitswettbewerben und sieht keine generellen Bekleidungsvorschriften für Musliminnen vor. Das bedeutet, dass auch das Verbot nicht etwa aus Bekleidungsvorschriften hergeleitet wird. Aus welchem anderen Grund es hergeleitet wird, bleibt offen. Explizit noch nicht entschieden ist die Frage, ob der Beruf des Modells für Musliminnen erlaubt ist. Eine Entscheidung wird allerdings angekündigt.
Weiterhin stellt der Minister klar, dass die Fatwa nicht für Nichtmuslime gilt. Das liegt daran, dass es sich hier um religiöses Recht handelt, das an den Glauben der jeweiligen Person anknüpft.
Schließlich ist bemerkenswert, dass Kritik an der Fatwa durch Muslime bestraft werden kann. Auch das widerspricht den klassischen Grundlagen des Fatwawesens, die verschiedene Meinungen bzw. Fatwas zulassen. Die Kritik an der Fatwa wird hier also in die Nähe der Apostasie gerückt, was sehr autoritär ist.
Schlagworte: Schönheitswettbewerb, Kleidung, Modell, staatliches Recht, Bindungswirkung, Malaysia
Diese Fatwa befasst sich mit den Folgen der Begehung von Unzucht hinsichtlich der Wirksamkeit einer zeitlich nachfolgenden Ehe. Die Antwort stellt zunächst klar, dass der zitierte Koranvers nicht bedeutet, dass Unzüchtige nur untereinander heiraten dürfen. Eine solche Antwort mag bei den Wahhabiten zumindest etwas überraschen, würde man doch eine strenge Wortlautauslegung erwarten. Es zeigt, dass es sinnvoll ist die vertretenen Lehrmeinungen eingehender zu erforschen. Tatsächlich wird der Vers hinsichtlich der Reue eingeschränkt. Nur für diejenigen, die nicht bereuen, folgt aus der Unzucht ein Eheverbot.
Sodann wird der Schulgründer Ahmad Ibn Hanbal angeführt. Dieser habe die Meinung vertreten, dass der Ehevertrag solange nicht wirksam ist, bis die oder der Unzüchtige bereut. Mit der Aufforderung zur Reue, bzw. der Antwort darauf wird über die Wirksamkeit des Ehevertrags entschieden. Das bedeutet, dass Ibn Hanbal von einer schwebenden Unwirksamkeit einer solchen Ehe ausgeht. Diese Meinung kann, gerade im Zusammenhang mit den weiteren Ausführungen, zu erheblichen rechtstechnischen Problemen führen. Insbesondere wenn man die Auffassung vertritt, dass der andere Ehepartner durch Eingehung einer solchen Ehe nun ebenfalls Unzucht begeht, eröffnen sich folgende Problemkomplexe:
Der Straftatbestand der Unzucht liegt möglicherweise nur zeitlich befristet vor und entfällt wieder. Es spricht Einiges dafür, dass dieses Entfallen Rückwirkung hat, ganz sicher ist es allerdings nicht. Die Heilung der Ehe erfolgt durch Reue der oder des Unzüchtigen. Aber wie verhält es sich mit der Unzucht des anderen Ehepartners? Ist eine eigene Reue hinsichtlich des Straftatbestandes notwendig oder möglich?
Diese Probleme vermeidet die weitere strengere Ansicht, die die Eingehung einer Ehe erst nach der Reue erlaubt.
Das Eheverbot für Unzüchtige an denen die Strafe vollstreckt wurde, schließt sich dieser Logik an. Die Reue lässt den Tatbestand und somit auch die Strafe entfallen. Nach Vollstreckung der Strafe ist kein Platz mehr für Reue, jedenfalls entfaltet sie keine Rechtswirkungen mehr. Die Ausweitung des Prophetenwortes auf solche, von denen die Unzucht bekannt ist, halte ich allerdings für gewagt. Hier wird die Antwort undeutlich, weil der Mufti zunächst davon ausgeht, dass Beweis über die Unzucht erbracht sein muss.
Schlagworte: Familienrecht, Strafrecht, Unzucht, Ehevertrag, Eheverbot, Wirksamkeit, Reue, Strafe, Vollstreckung, Wahhabiten
Daily News Egypt: Al-Azhar firmly disapproves Qaradawi’s fatwa
Die Entmachtung Muhammad Mursis hat eine lebhafte Diskussion rund um eine ihn unterstützende Fatwa des orthodoxen Muftis Yusuf Qaradawi entfacht.
Die Fatwa ist auf seiner Website lediglich in Form einer Nachrichtenmeldung publiziert. Diese enthält nur das Wesentliche (Khulasa) der Fatwa, wie nach den einleitenden Formeln in dem kurzen vierten Absatz angeführt ist. Bemerkenswert ist, dass die Frage und der Fragesteller nicht zum Wesentlichen gehören. Für die Frage ist das schon aus rechtlicher Sicht zweifelhaft, denn die Art der Frage kann zur Einordnung der Antwort beitragen. Darüber hinaus richtet sich Qaradawi an das ägyptische Volk, bzw. meint für es zu sprechen. Da ist es dann doch seltsam, dass dieses Volk noch nicht mal in der Person eines Fragestellers erscheint. Die Fatwa erweckt insgesamt einen autoritativen Eindruck. Mursi sei der gesetzliche (schar'i) Präsident. Ferner spricht er von einem Kosens nicht nur der Gelehrten, sondern sogar der Gemeinde der Muslime (Idschma' al-Umma).
In diesem Zusammenhang greift er den Scheich der Azhar Ahmad at-Tayyib an, der sich von diesem Konsens entfernt habe. Es ist also nicht verwunderlich, dass die Azhar darauf reagiert. Auch el-Baradei lehnt er ausdrücklich ab.
Inhaltlich begrüßt er zwar die Demokratie und Wahlen, geht aber davon aus, dass die Staatsgewalt nicht vom Volk ausgeht, sondern von Gott. Das Volk hat einen Vertrag ('Ahd) mit Gott geschlossen, den es ausführt. Insofern erkennt er Mursi als demokratisch gewählten Präsidenten an. Schließlich wundert er sich, dass Mubarak 30 Jahre bleiben durfte, während Mursi nur ein Jahr Zeit gegeben wurde. Er habe keine Fehler gemacht, die eine Entmachtung rechtfertigen könnten.
Qaradawi hat nicht nur Widerstand von der Azhar erhalten, sondern auch von seinem Sohn. Auch hier ist die Autorität einschlägig in Form des Respekts gegenüber den Eltern, der im Islam regelmäßig betont wird. Qaradawi junior sagt, dass er nicht schweigen kann, nur weil es sich um eine Fatwa handelt. Er misst also auch dem Fatwawesen Autorität zu. Gerade seine zuletzt zitierten Sätze weisen allerdings daraufhin, dass es zweifelhaft ist, ob es sich hier um eine Fatwa, also ein Gutachten zum islamischen Recht, handelt, oder doch um eine politische Meinungsäußerung, die weniger Autorität beanspruchen könnte (vgl. Malaysia Chronicle: Qaradawi's son criticises dad over Mursi fatwa). Die politischen Ausführungen zu Mubarak als auch die politischen Aufrufe an das ägyptische Volk nehmen mehr Platz ein als die religionsrechtliche Begutachtung.
Schlagworte: Muhammad Mursi, Präsident, Qaradawi, Azhar, Ahmad at-Tayyib, Konsens, Gemeinde, el-Baradei, Volk, Gott, Staatsgewalt, Demokratie, Mubarak, Ägypten
Fatwa Center of America: Cable television provider
Dieser Mufti betreibt seit 2009 einen wachsenden Fatwa-Online-Service von der amerikanischen Ostküste aus, wo er offensichtlich auch die Funktion eines Imams einer lokalen Moschee ausübt. Ich konnte ihn aufgrund seiner bisherigen Fatwas als sunnitisch einordnen, aber noch keiner Rechtsschule zuordnen.
In dieser Fatwa beschäftigt er sich mit einigen interessanten Fragen, nämlich ob die Tätigkeit als Internetzugangsprovider und Anbieter von Kabelfernsehen erlaubt ist, wie es sich mit gemischten Einkünften verhält und welche Konsequenzen das für Familienangehörige hat, deren Unterhalt davon bestritten wird.
Er geht, wie die überwiegende Meinung, davon aus, dass die Tätigkeit des Internetzugangsproviders grundsätzlich erlaubt ist. Nur in dem Fall, wenn man weiß, dass der Kunde es zu verbotenen Zwecken nutzt, ist auch die Vermittlung des Zugangs verboten.
Das Anbieten von Kabelfernsehen ist hingegen teilweise erlaubt, teilweise verboten, abhängig vom Inhalt. Als Folge tritt auch bei den Einnahmen daraus eine Vermischung ein. Außer dem Hinweis, dass die Tätigkeit auf die erlaubten Teile beschränkt werden soll, geht er allerdings nicht auf die Behandlung des vermischten Geldes ein.
Interessant ist, dass er den Unterhaltsberechtigten den Empfang des vermischten Geldes erlaubt. Zu dieser Frage werden durchaus andere Meinungen vertreten. Offen bleibt, ob er diese Erlaubnis auf die Notwendigkeit (Darura) begrenzt, da sich dieser Satz lediglich auf die Schwiegertochter bezieht. Schließlich erlaubt er auch ihr in dem von diesem Geld gekauften Haus zu wohnen.
Schlagworte: Familienrecht, Handelsrecht, Internetzugangsprovider, Kabelfernsehen, Vermischung von Geld, Unterhalt, Notwendigkeit
New Straits Time: Zakat Not For Companies, Says Tun Abdul Hamid
Diese Meldung befasst sich mit dem schwierigen Verhältnis von staatlichem und religiösem Recht. Es geht um verschiedene Fatwagremien die zum Teil staatlich sind, zum Teil nicht. Das nationale Fatwakomitee ist gerade nicht staatlich. Das Föderale Fatwakomitee und das Fatwakomitee des Bundesstaates Selangor sind staatliche Organe.
Die problematischen Fatwas wurden vom nationalen Fatwakomitee und vom Fatwakomitee von Selangor erlassen. Da das nationale Fatwakomitee nicht staatlich ist, fällt dem obersten Richter die Argumentation leicht, dass diese Fatwas nicht bindend sind, was zutreffend ist. Jedenfalls die Fatwas des Föderalen Fatwakomitees wurden per Gesetz mit Bindungswirkung versehen. Zu der Frage, ob auch die Fatwas des Fatwakomitees von Selangor bindend sind, gibt jedenfalls die Pressemeldung keine Auskunft.
In einem multireligiösen Staat wie Malaysia ist die Frage, ob Handelsgesellschaften Almosensteuer nach islamischem Recht zahlen müssen, bedeutsam. Die Argumentation des Richters ist dabei sehr nachvollziehbar. Danach knüpft die Almosensteuer an die Religion an. Die Religion ist wiederrum eine Eigenschaft, die nur eine natürliche Person haben kann. Eine Handelsgesellschaft hat keine Religion, da sie eine eigene Rechtspersönlichkeit ist. Auch das Abführen der Almosensteuer durch die Gesellschaft für ihre Anteilseigner ist problematisch, da sie jedenfalls deren Religion kennen müsste und gegebenenfalls die gesamten Vermögensverhältnisse.
Schlagworte: Almosensteuer, staatliches Recht, Bindungswirkung, Handelsgesellschaft, Malaysia