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Die aktuelle Fatwa: Juli 2020

26.07.2020

Al-Monitor: Egypt's Al-Azhar in dispute with government over fatwa authority

In Ägypten wird möglicherweise eine der letzten Änderungen des sogenannten Arabischen Frühlings rückgängig gemacht. Es gibt nämlich einen Gesetzentwurf nach dem der Staatsmufti nicht mehr von einem Ältestenrat der Azhar-Universität gewählt wird, sondern vom Präsidenten bestimmt wird.
Das ägyptische Parlament hat bereits einen entsprechenden Beschluss gefasst. Nun liegt das Gesetz zur Überprüfung beim Staatsrat bevor es endgültig vom Parlament beschlossen werden kann. Der Ältestenrat wird dadurch allerdings nicht komplett entmachtet. Er würde immernoch drei islamische Gelehrte vorschlagen, aus denen der Präsident Einen auswählt. Der Präsident könnte nach diesem Gesetzentwurf die Amtszeit des Staatsmuftis verlängern oder ihn mit Erreichen des Rentenalters von 60 Jahren in Pension schicken.
Es ist wenig überraschend, dass der Entwurf starke Opposition seitens der Azhar-Universität hervorgerufen hat, die das Gesetz für verfassungswidrig hält. Die Azhar pocht insbesondere darauf, dass sie die Aufsicht über alle religiösen Institutionen innehat.
Die Kritik, dass das Staatsmuftiamt so mehr unter den Einfluss des Präsidenten kommt, ist berechtigt. Das kann in der Tat Zweifel an der Unabhängigkeit des Muftis und den Verdacht politischen Handelns begründen. Damit kann die Bindungskraft für religiöse Bevölkerungsschichten nachlassen, denn der Staatsmufti ist letztendlich eigentlich ein islamischer Gelehrter. Deshalb vertritt er in der Regel traditionelle islamische Auffassungen, was ebenfalls keineswegs unumstritten ist. Erschwerend kommt für die Azhar hinzu, dass ihr regelmäßig jegliche absurde Fatwa eines ihrer vielen Absolventen zugeschrieben wird, auch wenn er kein (hohes) Amt bei ihr innehat.

Schlagworte: Staatsmufti, Azhar, Ältestenrat, Präsident, Paralment, Staatsrat, Ägypten

19.07.2020

Ask Imam: The Consequences of sending explicit pictures to a stranger

Dieser von einem pakistanischen Mufti in Südafrika betriebene Fatwa-Online-Dienst erlässt gerade einige lebensberatende Fatwas, so u. a. zu dem Problem, dass die Tochter über das Internet einem Mann in einem fremden Land explizite Fotos von sich gesendet hat und dadurch die ganze Familie in eine Krise gestürzt hat. Die Mutter sei gar suizidal geworden.
Lange Fragen wie diese geben uns zudem einen Einblick in das Leben muslimisch-religiöser Familien. Durch die Corona-Pandemie sind auch die Kurse islamischer Lehranstalten (Madrasas) in das Internet verlegt worden. So sei es für die Eltern schwer geworden ihre Kinder ständig zu überwachen.
Die Antwort des hanafitischen Muftis enthält quasi keine rechtliche Einordnung, sondern ist umfassend lebensberatend. Der Mufti betet sogar für die Familie und wünscht der Tochter die Fähigkeit zur Reue (Tauba) und der Mutter Geduld. Darüber hinaus rät er rechtlichen Rat einzuholen, um den Mann verhaften zu lassen.
Dann gibt der Mufti einige präventive Ratschläge um solche Probleme zu vermeiden. Dazu zählen Gottesfurcht und die Aufklärung über die Gefahren des Internets. Ferner sollen alle internettauglichen Geräte in einer öffentlichen Zone des Hauses aufgestellt werden. Hier ist die Vorstellung eines orientalischen Hauses mit einem Innenhof, in dem eine Großfamilie wohnt, notwendig, um zu verstehen, dass so eine effektive Überwachung gewährleistet ist. Es ist aber nicht klar, ob im konkreten Fall eine solche Wohnsituation vorliegt.
Sogar Überwachungssoftware empfiehlt der Mufti. Was hier fehlt ist jeglicher Freiraum zu eigenständiger Entwicklung. Immerhin wirft er schließlich ein Schlagwort ein, das es in den internationalen pädagogischen Sprachgebrauch geschafft hat, nämlich mit den Kindern "quality time" zu verbringen.

Schlagworte: Nacktfotos, Internet, Reue, Gottesfurcht, Aufklärung, Überwachungssoftware, Qualitätszeit, Hanafiten

12.07.2020

Islam - Q & A: Ruling on managing property for someone else that was brought through a mortgage

In dieser Frage geht es um die Tätigkeit als Hausverwalter. Der Fragesteller erhält dafür einen prozentualen Anteil vom Gewinn durch die Mieteinnahmen, d. h. von den Mieten werden zunächst Ausgaben für Darlehen abgezogen.
Der Mufti stellt zunächst fest, dass die Arbeit als Hausverwalter grundsätzlich erlaubt ist. Sogar gegen den prozentualen Anteil vom Gewinn hat er nichts einzuwenden, denn die Unsicherheit (Gharar) über den genauen Betrag werde durch den bestimmten Prozentsatz klar werden.
Zwar seien (verzinste) Darlehen verboten, aber der Darlehensnehmer werde gleichwohl rechtmäßiger Eigentümer des so erworbenen Hauses. Folglich sei auch die Tätigkeit des Hausverwalters erlaubt, soweit er nicht in das Darlehen verwickelt ist, was hier der Fall sei, weil sein Einkommen nach Abzug der Darlehenskosten berechnet wird. Insofern hätte man allerdings auch zu dem Schluss kommen können, dass das Gehalt des Hausverwalters von den Mieteinnahmen ohne Abzug der verbotenen Zinsen zu berechnen ist und der Grundeigentümer die Zinskosten von dem verbleibenden Rest begleichen muss.
Insgesamt ist es allerdings keineswegs selbstverständlich, dass der wahhabitische Mufti zur Erlaubnis dieser Konstruktion kommt, denn die Wahhabiten sind sonst eher für ihre Strenge bekannt. Eine Bedingung gibt es allerdings: Das Eigentum darf nicht zu verbotenen Zwecken vermietet werden, wie an eine zinsnehmende Bank oder zum Betreiben einer Kirche oder einer Bar.

Schlagworte: Hausverwaltung, Miete, Gewinnanteil, Unsicherheit, Darlehen, Zins, Wahhabiten

05.07.2020

Darul Ifta Birmingham: Can I Ask My Husband to Memorise a Surah for Mahr?

Diese Fragestellerin möchte wissen, ob sie als Brautgabe (Mahr) auch verlangen kann, dass ihr zukünftiger Ehemann eine Sure des Korans auswendig lernt. Man könnte nun erwarten, dass spiritueller Reichtum ebenfalls möglich ist. Die geforderte Sure handelt immerhin von der Schönheit der Schöpfung, des Paradieses und zu einem kleineren Teil auch von der Hölle.
Der hanafitische Mufti meint allerdings, dass die Brautgabe eine Art von Reichtum sein muss, der einen Wert oder Vorteile bietet und mindestens 10 Dirham betragen muss. Das entspricht der islamischen Auffassung von der Ehe als zivilrechtlichem Vertrag. Sie ist kein Sakrament wie im Christentum.
Ist bereits eine solche Brautgabe vereinbart worden, so wird die übliche Brautgabe geschuldet. Das ähnelt Vorschriften im deutschen Recht zur üblichen Vergütung bei Dienst- oder Werkverträgen in denen solche Vereinbarungen ebenfalls fehlen. Bei der Brautgabe werden zum Vergleich die Brautgaben der weiblichen Verwandten väterlicherseits herangezogen. Bei diesem Vergleich seien allerdings das Alter, die Schönheit, die Züchtigkeit, das Vermögen, die Intelligenz, die Religion, Ort und Zeit zu berücksichtigen. Das sind zum Teil nicht leicht zu bestimmende Faktoren. Und die Unwirksamkeit der Klausel dürfte regelmäßig im Falle einer Scheidung Thema werden, also wenn ohnehin schon Vieles streitig ist.

Schlagworte: Familienrecht, Ehe, Brautgabe, Sure, Wert, Vorteil, Üblichkeit, Alter, Schönheit, Züchtigkeit, Vermögen, Intelligenz, Religion, Ort, Zeit, Deobandis