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Die aktuelle Fatwa: August 2012

30.08.2012

Egypt Independent: Salafi Dawah vice president says IMF loan permissible in Islam

Den Originaltext dieser Fatwa konnte ich bislang nicht finden. Allerdings lassen schon die angeführten Zitate einige interessante Schlussfolgerungen zu. Danach könnten sich ausgerechnet die Salafiten in Ägypten an die liberale Spitze der Islamic Finance setzen. Dass eine Verwaltungsgebühr keine Zinsen darstellt, ist durchaus mit den Grundsätzen der Islamic Finance vereinbar. So lässt sich eine Verwaltungsgebühr auf eine tatsächliche Tätigkeit zurückführen, während Zinsen sich lediglich auf den reinen Akt des Ausleihens beziehen. Die Schlussfolgerung, dass es sich um eine möglicherweise nicht zurück zu zahlende Subvention handelt, ist dafür nicht notwendig. Schon die Übersetzung des arabischen Begriffs Riba als Zins- oder Wucherverbot stellt eine Interpretation dar. Historisch sollte das Verbot u. a. Praktiken unterbinden, die die Verdoppelung der Schuld bei Nichtzahlung zu einem bestimmten Termin vorsahen. Damit steht die Fatwa in Einklang.
Allerdings hat die Fatwa mittlerweile Widerspruch von anderen Salafiten erfahren. Dabei wird insbesondere das Konzept der Notwendigkeit (Darura) sehr eng ausgelegt (vgl. Egypt Independent: Salafi leader attacked for not declaring IMF loan usury). Letztlich wird es auf die konkrete Gestaltung des Vertrages ankommen.

Schlagworte: Islamic Finance, Zins, Verwaltungsgebühr, Wucher, Notwendigkeit, Salafiten, Ägypten

30.08.2012

Der Tagesspiegel: Verfassungsschutz warnt vor muslimischer Partei

Die Vermutung des niedersächsischen Verfassungsschutzes klingt plausibel und könnte zutreffend sein, wenn es sich bei der angeführten Fatwa um diese Fatwa handelt. Denn der Gehalt der Fatwa ist in der Tat demokratiefeindlich. Insofern kann es darauf ankommen, in welchem Zusammenhang die Fatwa dargestellt wurde. Leider lässt sich das ohne weitere Quellen nicht mehr nachprüfen, da die Website der Partei nicht im Internet Archiv enthalten ist.
Was die Fatwa selbst angeht, so fällt auf, dass sie zu großen Teilen aus Zitaten besteht. Inhaltlich reißt sie die große Frage der Vereinbarkeit von Islam und Demokratie an. Diese wird unterschiedlich beantwortet. Hier fällt die Antwort klar ablehnend aus. Allerdings wird die Teilnahme an Wahlen erwogen, um das demokratische System gemäß der Scharia zu ändern. Der grundlegende Unterschied wird bereits am Anfang angesprochen, nämlich ob das Volk oder Gott der Souverän ist, der die Gesetze erlässt. Es wird also die weitere grundsätzliche Frage der Trennung von Staat und Religion angesprochen. Diese ist nicht gelöst. Ich kann jedenfalls in der islamischen Geschichte keine Aufklärung erkennen. Dabei ist die Demokratie eine übertragbare Staatsform und es ist wünschenswert, dass sie auch in der islamischen Welt angenommen wird. Bei der Aufklärung handelt es sich um ein Ereignis der europäischen Geschichte. Man kann nicht davon ausgehen, dass dieses in genau dieser Form auf die islamische Welt übertragbar ist.
Update 30.05.2013: Der niedersächsische Verfassungsschutz hat die Beobachtung der Islam-Partei eingestellt, da nach Entfernen der Fatwa von der Website kein Anfangsverdacht mehr vorliegt (vgl. Neue Osnabrücker Zeitung: Islam-Partei MDU nicht mehr im Visier des Verfassungsschutzes).

Schlagworte: Demokratie, Wahlen, Souverän, Staat, Religion, Aufklärung, Vielgötterei, Unglaube, Wahhabiten, Deutschland

27.08.2012

Islam - Q & A: He works as a security guard in a store that sells alcohol; what is the ruling on his work?

Leider folgt auf diese interessante Frage keine hinreichend differenzierte Antwort. Noch nicht einmal das sonst häufig verwendete Konzept der Notwendigkeit (Darura/Haja) wird erwähnt, obwohl die Frage darauf hindeutet. Diese Tätigkeit wird schlicht verboten. Dabei ist durchaus offen, ob diese Tätigkeit überhaupt unter das verbotene Verkaufen oder Transportieren fällt. In anderen Fatwas zur Frage, ob das Arbeiten in einem solchen Laden erlaubt ist, wird u. a. danach differenziert, ob der Laden ausschließlich Alkohol verkauft. Seinerzeit wurde eine ebenso wahhabitische Fatwa in der Zeitung Arab News veröffentlicht, die eine Arbeit als Buchhalter in einem solchen Laden erlaubt, weil kein direkter Kontakt zum Alkohol stattfindet (vgl. Matthias Brückner: Fatwas zum Alkohol unter dem Einfluss neuer Medien im 20. Jhdt., Würzburg 2001, S. 97). Immerhin wird es geduldet bis er eine andere Tätigkeit gefunden hat.

Schlagworte: Arbeitsrecht, Sicherheitsdienst, Supermarkt, Alkohol, Wahhabiten

20.08.2012

The Indian Express: 'Death fatwa' for protesters against Muslim Brotherhood

Wieder einmal sorgt eine Todesfatwa für Aufregung. Diesmal geht es allerdings nicht um eine einzelne Person, sondern um Demonstranten gegen den ägyptischen Präsidenten Mursi. Es wird dabei das in der islamischen Geschichte beliebte Mittel des Für-Ungläubig-Erklärens angewandt.
Wie die offizielle Reaktion der Azhar Universität zeigt, geht es dabei sowohl um die Frage welches der wahre Islam ist, als auch wer die Definitionsmacht inne hat. Die Azhar verhindert dabei als bedeutende Instanz des traditionellen Islam, ähnlich wie das Staatsmuftiamt, allzu radikale Auslegungen des Islam. Eine Aufzeichnung der mündlich erteilten Fatwa findet man hier: MEMRI TV: Egyptian Cleric Hashem Islam Issues Fatwa Permitting the Killing of Anti-Morsi Demonstrators). Die Übersetzung ist, soweit ersichtlich, inhaltlich korrekt. Hashem Islam bedient sich hier einer klassischen koranischen Sprache als auch diverser Stichworte aus der Geschichte des Islam. Diese Bilder zielen ersichtlich auf eine autoritative Wirkung ab. Ob hier eine inhaltlich korrekte Auslegung stattfand, kann bezweifelt werden. Allerdings wird auch seine nachgeschobene Relativierung, soweit ersichtlich, vom ursprünglichen Wortlaut gedeckt. Schließlich sollte bedacht werden, dass die angeführten Quellen im Hinblick auf den Islam nicht zwingend für neutrale Berichterstattung stehen. Es handelt sich um eine indische Zeitung sowie ein Forschungsinstitut mit israelischem Hintergrund.
Update 21.08.2012: Eine erst heute entdeckte Meldung bestätigt nicht nur die Distanzierung der Azhar von Hashem Islam, sondern informiert über die Einleitung einer Untersuchung des Falles durch die Azhar. Darüber hinaus bekennen sich Mursi und die Muslimbrüder zum Recht auf freie Meinungsäußerung in Form von Demonstrationen (vgl. Gulfnews.com: Death fatwa against protesters causes a stir).

Schlagworte: Für-Ungläubig-Erklären, Hochverrat, Demokratie, Demonstration, Muhammad Mursi, Muslimbrüder, Azhar, Ägypten

13.08.2012

EuropeNews: Yemen Mufti prohibits watching TV series

Ein schönes Beispiel für die klassische Form der Fatwaerteilung gibt diese Fatwa des jemenitischen Staatsmuftis. Allem Anschein nach wurde die Frage von einem Schreibbeamten auf dem Computer eingetippt und eventuell auch formuliert. Der Mufti nimmt das Blatt und setzt seine Antwort handschriftlich unmittelbar darunter (vgl. Matthias Brückner: Fatwas zum Alkohol unter dem Einfluss neuer Medien im 20. Jhdt., Würzburg 2001, S.17).
Soweit ich die Handschrift entziffern konnte, ist die im Artikel wiedergegebene Übersetzung inhaltlich korrekt. Thematisch betrifft die Fatwa das Bilderverbot, insbesondere von Persönlichkeiten der frühesten islamischen Geschichte. Es handelt sich um ein religiöses Dilemma. Einerseits soll durch entsprechende Erzählungen die Religiosität der Menschen gefördert werden. Diese gewinnen durch bildliche Darstellungen an Attraktivität. Andererseits besteht aus puritanischer Sicht die Gefahr der missbilligten Heiligenverehrung. Bemerkenswert ist, dass es sich ausgerechnet um eine saudische Produktion handelt (vgl. The Hollywood Reporter: Fatwa Issued Against Saudi TV Drama).

Schlagworte: Verfahren, Bilderverbot, Heiligenverehrung, Prophetengefährten, Fernsehen, Staatsmufti, Jemen, Saudi-Arabien

08.08.2012

MuftiSays.com: Working in a betting shop

Die Londoner Zweigstelle der Deobandis setzt sich in dieser Fatwa mit einem typischen Lebenssachverhalt von muslimischen Minderheiten auseinander. Obwohl nicht explizit erwähnt, wird, wie oft in diesen Fällen, das Konzept der Notwendigkeit (Darura/Haja) herangezogen.
Zunächst wird von einer grundsätzlichen Notwendigkeit ausgegangen den Lebensunterhalt zu verdienen. Ein Muslim ist darüber hinaus verpflichtet den Lebensunterhalt mit nach dem Islam erlaubten Tätigkeiten zu verdienen. Das Konzept der Notwendigkeit wird hier allerdings nicht so angewandt, dass die Tätigkeit generell erlaubt wird, sondern zeitlich insofern relativiert, dass die Tätigkeit solange erlaubt ist, bis der Fragesteller eine erlaubte Tätgkeit findet.

Schlagworte: Arbeitsrecht, Glücksspiel, Notwendigkeit, Deobandis

01.08.2012

Dar al-Ifta al-misriyya: Professional soccer players refraining from fasting in Ramadan

Mit dieser umfangreich begründeten Fatwa reagiert das ägyptische Staatsmuftiamt auf die aktuelle Debatte der zeitlichen Überschneidung der olympischen Spiele mit dem Ramadan (vgl. New York Times: Observance of Ramadan Poses Challenges to Muslim Athletes). Leider ist nicht gekennzeichnet inwiefern sie inhaltlich überarbeitet wurde.
Allerdings ist schon die erste angeführte hanafitische Meinung angreifbar. Denn bei Profisportlern dürfte ein ausreichender Verdienst vorliegen. Weiterhin werden sie recht leicht eine andere Anstellung finden. Diese Problematik setzt sich auch in den anderen angeführten Meinungen fort. Letztlich bleibt als Argument nur der zwingende Vertrag. Einen solchen abzuschließen dürfte allerdings für einen muslimischen Arbeitgeber wiederum problematisch sein.
Die Fatwa setzt sich in der abschließenden Zusammenfassung nicht in dieser Tiefe mit den zuvor angeführten Meinungen auseinander. Stattdessen wird das Konzept der Notwendigkeit wieder einmal aufgegriffen. Angesichts der angeführten Regel wäre auch eine Begutachtung wünschenswert gewesen, inwieweit Sport einer anstrengenden Arbeit gleichsteht und inwiefern eine Notwendigkeit besteht vom Fasten abzuweichen.

Schlagworte: Fasten, Olympia, Arbeitsrecht, Vertrag, Notwendigkeit, Hanafiten, Malikiten, Schafiiten, Ägypten, Staatsmufti