Die aktuelle Fatwa: September 2024
10.08.2024
ahramonline: Egypt mufti, Azhar denounce shameful Israel massacre of Palestinians during dawn prayer
Zahlreiche Medien berichten über einen Angriff Israels auf die al-Tabin-Schule im Gazastreifen. Angeblich habe es zahlreiche zivile Opfer gegeben. Israel macht hingegen geltend, dass sich dort eine Kommandozentrale der Hamas mit etwa 20 Militanten befunden habe und menschliche Schutzschilde genutzt worden seien.
Jedenfalls hat sich ebenfalls schon am Samstag der ägyptische Staatsmufti zu dem Vorfall geäußert. Er verurteilte das Massaker. Es handele sich um einen Teil eines systematischen völkermörderischen Krieges. Es sei ein schändliches Kriegsverbrechen. Es handele sich um eine offenkundige Verletzung aller Religionen, Bräuche, Bestimmungen und Prinzipien internationalen Rechts und der Menschenrechte und eine Missachtung des Wertes des Menschen und der Heiligkeit seiner Seele. Diese brutale Attacke sei ein Schandfleck auf der Stirn der Menschlichkeit. Israel sei durstig nach mehr Blutvergießen von Kindern, Frauen, älteren Menschen und Unschuldigen.
Man kann davon ausgehen, dass in diesem Konflikt Kriegsverbrechen, also schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts, begangen wurden. Auch dieser Angriff kann ein Kriegsverbrechen sein. Das wird zu untersuchen sein. Derzeit gibt es noch keine unabhängigen Informationen über den Vorfall. Ob es sich hier um einen Völkermord handelt, dürfte allerdings noch immer äußerst fraglich sein. Problematisch wird hier vor allem die Absicht sein, die Palästinenser als Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören. Es wird sich hier auch die Frage stellen, ob man die Palästinenser im Gazastreifen als eigenständige nationale, religiöse oder ethnische Gruppe unabhängig von den anderen Palästinensern definieren kann (vgl. § 6 VStGB, die gleichlautende deutsche Fassung der internationalen Definition von Völkermord). Zumal man hier auch nicht den Auslöser des Konflikts, nämlich das Massaker am 7. Oktober letzten Jahres vergessen darf, ebenfalls ein Kriegsverbrechen. Wenn sich Israel auf das Recht der Selbstverteidigung beruft, so handelt es sich bei dem israelischen Vorgehen wohl zumindest in Teilen um etwas Ähnliches zu dem, was im deutschen Strafrecht als Notwehrexzess bezeichnet wird, also um eine Überschreitung der Notwehr. Beim Schutz menschlichen Lebens handelt es sich schließlich bei jedem einzelnen Leben um eines der höchsten Rechtsgüter, wenn nicht das höchste Rechtsgut. Das ist sorgsam zu beachten.
Schlagworte: Israel, Gazastreifen, Schule, Hamas, Völkermord, Kriegsverbrechen, Staatsmufti, Ägypten
03.08.2024
eShaykh.com: work and alcohol
In dieser Fatwa geht es um die Frage, ob man in einem Laden arbeiten darf, der Alkohol verkauft. Der Mufti zitiert hierzu zunächst eine sehr bekannte Überlieferung von Muhammad. Danach habe Gott den Alkohol verflucht und unter anderem seinen Trinker, seinen Verkäufer bzw. denjenigen, der von seinem Preis profitiert. Daraus schließt der Mufti, dass jemand der in einem solchen Laden arbeitet, jedenfalls teilweise von seinem Preis profitiere und somit teilweise von Gott verflucht sei. Sein Gehalt sei ebenfalls teilweise verboten (haram), allerdings ohne den genauen Teil zu kennen. Das ist eine Andeutung, die leider nicht weiter erörtert wird. Denn von der Größe des verbotenen Teils und seiner Trennbarkeit, kann es abhängen, ob das Gehalt insgesamt als verboten angesehen wird oder nicht oder ob man sich auf die eine oder andere Art und Weise des verbotenen Teils entledigen muss. Hinzu kommt die sehr unscharfe Übersetzung des zentralen Begriffs Khamr. Dieses Wort ist nämlich mit Wein, und zwar Traubenwein zu übersetzen. Dattelwein (Nabidh) ist ein ganz anderes Wort. Und zur Zeit Muhammads gab es in Arabien keinen Traubenwein. Das führt zu ganz erheblichen Auslegungsschwierigkeiten. Es als Alkohol zu übersetzen ist eine nur scheinbar eindeutige Auslegung.
Nun wird es aber fast noch interessanter, denn der sufisch orientierte Mufti bezichtigt Yusuf Qaradawi von der Wahrheit abgewichen zu sein, weil er gesagt habe, dass es erlaubt (halal) sei in einem Laden zu arbeiten, der Alkohol verkauft. Dadurch habe er verursacht, dass zahlreiche Andere in den Geltungsbereich dieser Überlieferung fielen. Diese Möchtegern-Ratgeber und ihre Opfer seien eines der Zeichen des Endes der Zeiten geworden, in denen das Verbotene als das Erlaubte fehlinterpretiert werde. Der mittlerweile verstorbene Qaradawi war ein geistiger Führer der Muslimbrüder und hat Selbstmordattentate von Palästinensern auf Israelis gerechtfertigt, obwohl Selbstmord im Islam eigentlich auch als Sünde betrachtet wird. Das schließt freilich nicht aus, dass er in Bezug auf Alkohol im Geschäftsverkehr eine liberalere Ansicht vertreten hat. Es ist aber schon kurios ihn deshalb zu bezichtigen von der Wahrheit abgewichen zu sein und zu einem Vorboten der Apokalypse zu machen. Solche Bezichtigungen hätten wegen seiner Haltungen zum Nahostkonflikt viel näher gelegen. Es ist also nicht ganz so einfach, wie der sufisch orientierte Mufti weiszumachen versucht. Und dass alles komplexer ist und auch islamistische Muftis in einzelnen Sachfragen liberalere Ansichten haben können, ist dann wohl ein recht eindeutiges Zeichen, dass das Ende aller Zeiten eben nicht nahe ist.
Schlagworte: Arbeitsrecht, Alkohol, Gehalt, Wein, Qaradawi, Apokalypse