Die aktuelle Fatwa: September 2019
29.09.2019
Darul Ifta Birmingham: I forced him to text me a divorce, is it valid?
Ein interessanter Sachverhalt wird von dieser Fragestellerin geschildert. Sie habe ihren Cousin heimlich geheiratet und habe lediglich eine körperliche Beziehung mit ihm. Nun will sie sich von ihm scheiden lassen. Den Grund dafür teilt sie nicht mit.
Nun sieht das islamische Recht auch für die Ehefrau ein Recht zur Scheidung vor. Für dieses müssen allerdings verschiedene Bedingungen erfüllt sein und es muss bei Gericht beantragt werden. Das dürfte der Grund sein, weshalb die Fragestellerin versucht ihren Cousin dazu zu bewegen die Scheidung auszusprechen. Das hatte er auch bereits zweimal getan. Den notwendigen dritten Ausspruch hatte er allerdings bislang verweigert.
Daraufhin habe die Fragestellerin ihm gedroht ihre Ehe seiner Familie mitzuteilen, was ihm Probleme bereitet hätte. Das habe schließlich dazu geführt, dass er ihr eine Textnachricht mit der dritten Scheidung schickte.
Insgesamt vermittelt der Sachverhalt den Eindruck einer Frau, die weiß was sie will und trotz des Frauen benachteiligenden islamischen Scheidungsrechts in der Lage ist ihre Vorstellungen durchzusetzen. In der Tat bestätigt der Mufti kurz, dass sie geschieden sei. Fatwas müssen nicht immer Gutachten sein, denn das Wort kann auch mit Rechtsmeinung übersetzt werden.
Gleichwohl hätte hier die Erörterung verschiedener Rechtsprobleme durchaus nahegelegen, insbesondere der Willensmängel. Denn zum Einen hätte die Scheidungserklärung durch die Drohung unwirksam sein können, zum Anderen war der Cousin verärgert als er die Scheidung erklärte, was die Erklärung ebenso hätte unwirksam hätte machen können. Erschwerend kommt hinzu, dass die Fragestellerin nicht die Absicht hatte ihre Drohung in die Tat umzusetzen.
Schließlich stellt sich die Frage ob eine Scheidung per Textnachricht erklärt werden kann. Das islamische Recht sieht nämlich gerade die Mündlichkeit der Erklärung durch den Ehemann vor, so dass die Erklärung per Textnachricht hätte unwirksam sein können.
Schlagworte: Eherecht, Scheidung, Textform, Drohung, geheimer Vorbehalt, Deobandi
22.09.2019
AboutIslam: What Aspects of Our Past Must Be Revealed Before Marriage?
Die Fragestellerin möchte wissen, ob bzw. wieviel von ihrer Vergangenheit sie einem künftigen Ehemann bekannt geben muss. Der sunnitische Mufti meint zunächst, dass es nicht erlaubt sei in der Vergangenheit anderer Menschen einschließlich von Lebenspartnern zu wühlen. Man müsse auch nicht offenbaren, was Gott versteckt habe.
Eine Ausnahme bestehe allerdings bei sexuell übertragbaren Krankheiten wie HIV. Das zu verheimlichen sei eine Sünde, da es die Gesundheit Anderer gefährde. Indem der Mufti es als Sünde bezeichnet, argumentiert er theologisch. Das islamische Recht sieht allerdings auch die Möglichkeit vor, dass ein Mangel eines Ehepartners den Anderen zur Scheidung berechtigen kann, insbesondere, wenn der Mangel nicht vorher offenbart wurde. Darauf geht der Mufti hier nicht ein. Stattdessen warnt er eine Ehe einzugehen, wenn es sich bei dem Thema schon um einen empfindlichen Punkt handeln würde.
Schlagworte: Eherecht, Mangel, Krankheit, Sünde, Auskunftspflicht
15.09.2019
Darul Iftaa wal Irshaad: Taking part in Protests, rallies and marches for genuine causes
Dieser hanafitische Fatwa-Online-Dienst aus Kanada befasst sich mit der Frage ob die Teilnahme an Demonstrationen erlaubt ist, was der Mufti grundsätzlich bejaht. Der glückliche Ausgang (Tawfiq) käme aber nur von Gott. Daraus leitet der Mufti sodann die Notwendigkeit her die religiösen Pflichten zu erfüllen.
So hält der Mufti es für verboten mit dem anderen Geschlecht gemeinsam zu demonstrieren, aber auch Sachbeschädigungen sind verboten. Ferner gehören die Bekleidungsvorschriften sowie die Gebete zu den einzuhaltenden Pflichten. Gott sei ein notwendiger Faktor der Gleichung.
Die Antwort kreist letztlich um die Frage der Vorherbestimmung und die Entscheidungsfreiheit des Menschen bzw. ihr Verhältnis zueinander. Der Mufti setzt den Schwerpunkt auf die Vorherbestimmung, so dass wenig Spielraum für die Freiheit des Menschen übrig bleibt. Andererseits bleibt offen inwiefern der fromme Lebenswandel und die Teilnahme selbst einen Einfluss auf den Erfolg einer Demonstration haben könnte.
Schlagworte: Demonstrationen, Gott, Geschlechtertrennung, Sachbeschädigung, Bekleidung, Gebet, Hanafiten
08.09.2019
Ask Imam: Islamic state in non-Muslim country
Dieser hanafitische Fatwa-Online-Dienst aus Südafrika beantwortet die Frage nach der Etablierung eines islamischen Staates in einem nichtmuslimischen Land. Das ist eine Frage der Art, die den Konflikt zwischen islamischem und staatlichem Recht darauf zuspitzt zu entscheiden welches Vorrang hat. Entscheiden sich muslimische Würdenträger für das islamische Recht, wird ihnen Demokratiefeindlichkeit vorgehalten. Entscheiden sie sich für das staatliche Recht, wird ihnen von Personen, die den Anspruch vertreten den wahren Islam zu vertreten, Anpassung an die (westliche) Demokratie oder gar Verrat des Islam vorgehalten.
Der Mufti stellt in diesem Spannungsfeld zunächst fest, dass man in einem nichtmuslimischen Land bleiben soll, wenn man die wesentlichen Grundlagen des Islam praktizieren könne und Leben, Vermögen und Würde geschützt seien. Weiterhin hält er für verpflichtend sich als Bürger eines Landes an die Gesetze zu halten, die nicht unislamisch seien. Dieser Nachsatz lässt Aufhorchen, auch wenn der Mufti gleich nachschiebt, dass man sich immer an die Gesetze halten solle und kein Chaos verursachen solle. Er ergänzt sogar, dass man den Islam in manchen nichtmuslmischen Ländern freier leben könne als in muslimischen Ländern.
Dem Fragesteller wird allerdings empfohlen sich islamisch zu verhalten und für den Islam zu werben. Das würde vielleicht zu einem islamischen Staat führen. So sehr der Mufti also nichtmuslimische Länder lobt, gewährt er demokratischen Ordnungen doch keinen absoluten Vorrang vor dem Islam.
Schlagworte: islamischer Staat, islamisches Recht, staatliches Recht, Hanafiten, Südafrika