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Die aktuelle Fatwa: Oktober 2014

27.10.2014

ummid.com: SC overrules MP HC order barring Bhopal Masajid Committee from issuing'Fatwa'

Der oberste indische Gerichtshof hat offensichtlich ein Urteil erlassen, das für das Fatwawesen in Indien wegweisend ist. Der Originaltext ist bislang leider nicht auffindbar.
Der Pressemeldung lässt sich entnehmen, dass der Streit seinen Ausgang in der Anschuldigung nahm, dass zwei Unterorganisationen des Moschee Komitees in Bhopal Scheidungen aussprechen würden. Das ist schon insofern interessant als es sich bei der einen Organisation um Muftis und bei der Anderen um Richter handelt. Letztere dürften Scheidungen aussprechen, gerade auch in Indien, da das Familienrecht an die Religion der Betreffenden anknüpft.
Der Gerichtshof bekräftigt seine Rechtsauffassung, dass es solange nichts gegen eine Fatwa einzuwenden gibt, als die Fatwa nicht gesetzlich garantierte Rechte Anderer verletzt. Ferner hält er die Gründung eines islamischen Gerichts zwar für lobenswert, aber spricht ihm jegliche gesetzliche Grundlage ab. Bei dem Moschee Komitee und seinen Unterorganisationen handelt es sich also offensichtlich um private Organisationen. Auch wenn islamisches Recht anwendbar ist, bleibt die Rechtsprechung staatlichen Gerichten vorbehalten. Das Moschee Komitee und seine Unterorganisationen dürfen keine Urteile aussprechen.
Zutreffend führt der Gerichtshof aus, dass es sich bei Fatwas um Rechtsmeinungen handelt und nicht um bindende Urteile. Er bestätigt sogar, dass nur Experten Fatwas erteilen dürfen. Und das ist dem Moschee Komitee und seinen Unterorganisationen erlaubt.
Der Gerichtshof beschreibt diese Institutionen als Schiedsgerichtsbarkeit, verkennt allerdings nicht den religiös-moralischen Druck, der auf Personen lasten kann diese an sich unverbindlichen Fatwas zu befolgen. Schon durch die Pressemeldung leuchtet also durch, dass der indische oberste Gerichtshof etwas macht, was man im deutschen Verfassungsrecht als praktische Konkordanz bezeichnen würde. Die Grundrechte (hier insbesondere die Meinungsfreiheit) beider bzw. aller Beteiligten werden soweit als möglich bewahrt.

Schlagworte: Fatwawesen, staatliches Recht, islamisches Recht, Familienrecht, Scheidung, staatliche Gerichte, Schiedsgerichtsbarkeit, Urteil, Bindungswirkung, Oberster Gerichtshof, Indien

20.10.2014

Ask Imam: How should we deal with Ahmadis?

Diese Fatwa befasst sich mit der islamischen Sekte der Ahmadiyya, die vor allem in Indien und Pakistan Anhänger hat. Die in zwei Linien gespaltenen Ahmadis betrachten sich selbst als Muslime. Die Mehrheit der Muslime betrachtet sie allerdings nicht als solche.
Das bestätigt auch diese hanafitische Fatwa. Dazu verweist sie zunächst auf einen Gelehrtenkonsens (Idschma), wonach alle Anhänger der stärkere Linie der Ahmadiyya Apostaten seien. Alle ihre Nachkommen seien keine Muslime. Sie werden nicht ausdrücklich als Apostaten bezeichnet. Das kann im islamischen Strafrecht eine Rolle spielen, denn auf Apostasie steht die Todesstrafe. Auf die strafrechtlichen Konsequenzen geht die Fatwa allerdings mit keinem Wort ein.
Sodann zählt der Mufti auf, was alles in Bezug auf Ahmadis verboten ist. Dazu zählt schon der Gruß und erst Recht weiterer privater und geschäftlicher Kontakt, u. A. eine Heirat mit einem Ahmadi. Auch diese Verbote werden nicht näher begründet. Der Mufti fügt allerdings noch an, dass sie nicht unter die Leute des Buches (Ahl al-Kitab) fallen. Dazu zählen u. A. Christen und Juden, denen das islamische Recht unter diesem Status gewisse Rechte einräumt.
Immerhin rät der Mufti zur Vorsicht bevor man einen Anderen als Ahmadi bezeichnet. Ebenfalls zur Vorsicht rät er bei dem Versuch einen Ahmadi zum rechten Glauben zurück zu bringen.

Schlagworte: Ahmadiyya, Strafrecht, Apostasie, Konsens, Leute des Buches, Hanafiten

13.10.2014

OnIslam: Should the Adulteress Observe `Iddah?

Diese Fatwa befasst sich mit einer Eheschließung nach außerehelichem Geschlechtsverkehr und einer daraus resultierenden Schwangerschaft. Die Antwort bewegt sich dabei zwischen Familien- und Strafrecht.
Schon die Vorrede lenkt die Antwort auf einen zentralen Punkt hin, nämlich die Reue (Tauba). Durch außerehelichen Geschlechtsverkehr wird zwar der Tatbestand der Unzucht erfüllt, allerdings gibt das islamische Strafrecht den Tätern die Möglichkeit der Reue, die die Strafbarkeit entfallen lässt. Der bekannte orthodoxe Mufti Qaradawi schließt ebenfalls sogleich aus der Frage auf getätigte Reue. Das zeigt wie wichtig bei einer Fatwa die Frage ist.
Sodann führt er einen Gelehrtenkonsens (Idschma) an, nach dem die Ehe zwischen den Unzüchtigen grundsätzlich wirksam ist. Die Reue sei nach der herrschenden Lehre noch nicht einmal Bedingung für die Gültigkeit der Ehe, sondern eben nur für die Strafbefreiung. Nur die Hanbaliten setzen die Reue für die Eheschließung voraus. Dazu führt er ein Beispiel des zweiten Khalifen Umar an, der die Unzüchtigen mit Peitschenhieben bestrafen ließ und danach auf eine Eheschließung drängte.
Sodann wendet er sich der eigentlichen Frage nach der Wartezeit (Idda) zu. Die Wartezeit müssen geschiedene und verwitwete Frauen einhalten. Die Günde für die Wartezeit sind eine Schwangerschaft und die daraus gegebenenfalls folgende Feststellung der Vaterschaft. Das sei im Fall der Unzucht nicht notwendig, wofür Qaradawi einige Gewährsleute aus der frühislamischen Geschichte anführt.
Schließlich stellt Qaradawi fest, dass nach hanafitischer Lehrmeinung sogar eine Ehe mit einer Frau die durch Unzucht mit einem anderen Mann schwanger ist, gültig ist. Der Mann dürfe die Ehe bis zur Geburt bloß nicht konsumieren. Sofern der Mann nicht anderweitig Unzucht begangen hat, widerspricht das dem von Qaradawi selbst zuvor angeführten Koranvers, wonach Unzüchtige nur untereinander heiraten dürfen. Eine Begründung hierfür liefert er nicht.

Schlagworte: Familienrecht, Strafrecht, Unzucht, Reue, Ehe, Wartezeit, Schwangerschaft, Qaradawi

06.10.2014

Dar al-Ifta' al-misriyya: Is it permissible for young Muslims to join QSIS to establish an Islamic state?

Mittlerweile hat auch das ägyptische Staatsmuftiamt eine offizielle Fatwa gegen ISIS erteilt. Die Politik das Staatsmuftiamtes zeichnete sich bisher durch eine Vielzahl an Presseerklärungen und anderen Stellungnahmen aus. Diese Fatwa ist zwar nicht so strukturiert wie die von bin Bayyah, die ich letzte Woche besprochen habe, aber nicht minder gewichtig.
Zumindest die ersten beiden Absätze knüpfen im Stil noch an eine Presseerklärung an. Am Ende des dritten Absatzes erscheint dann das erste Koranzitat, mit dem deutliche Konsequenzen im Diesseits und im Jenseits in Aussicht gestellt werden. Sodann wird klar gestellt, dass sich das Verbot von ISIS auch auf finanzielle und andere Hilfeleistung erstreckt. Der Ausschluss von Gottes Gnade schon eines Hilfeleistenden wird mit einem Ausspruch Muhammads begründet.
Die Kompetenz einen kriegerischen Dschihad zu führen wird in die Hände des Staates gelegt. ISIS wird offensichtlich nicht als ein solcher anerkannt. Folglich darf auch ein Einzelner nicht entscheiden in den Dschihad zu ziehen, da er sich dadurch eine Kompetenz anmaßen würde, die ihm nicht zusteht. Das ägyptische Staatsmuftiamt folgt damit der klassischen Lehre, die den Dschihad als Kollektivpflicht (Fard al-Kifaya) und nicht als Individualpflicht (Fard al-'Ain) sieht, die jeder Einzelne befolgen muss, wie es die Dschihadisten oft vertreten.
Sodann folgen ein paar Ausführungen zum islamischen Kriegsrecht, wonach u. A. das Töten von Frauen und Kindern verboten ist. Auch das wird mit einem Ausspruch Muhammads belegt. Ferner wird mit einigen Koranzitaten begründet, dass es verboten ist Andersgläubige mit Zwang zum Islam zu bekehren. Weiterhin soll der erste Khalif Abu Bakr befohlen haben Betende nicht zu verletzen und fremde Gotteshäuser nicht zu zerstören.
Schließlich werden als Ziele eines Dschihads die Beseitigung von Unterdrückung und die Herstellung von Gerechtigkeit genannt. Das legt nahe, dass das ägyptische Staatsmuftiamt den kriegerischen Dschihad eher als defensiven Dschihad versteht.

Schlagworte: ISIS, Hilfeleistung, defensiver Dschihad, Kollektivpflicht, Individualpflicht, Kriegsrecht, Religionsfreiheit, Ägypten, Staatsmuftiamt