Die aktuelle Fatwa: Oktober 2016
25.10.2016
Dar al-Ifta al-misriyya: A Woman leading men in congregational prayers
Gefragt war in dieser Fatwa weshalb Frauen nicht das Gemeindegebet leiten dürfen. Die Antwort geht allerdings größtenteils an der Frage vorbei. Wortreich wird zunächst erklärt, dass der Islam Frauen wertschätze und Männer und Frauen in Gottes Sicht gleich seien. Gemeint ist tatsächlich allerdings wohl nur Gleichwertigkeit und nicht Gleichheit bzw. gleiche Rechte. Den beiden Geschlechtern werden verschiedene Aufgaben zugewiesen. Neben der Funktion des Vorbeters wird explizit die Führung des Dschihads Männern zugeordnet.
Schließlich verweist das ägyptische Staatsmuftiamt auf die in der Tat herrschende Meinung nach der Frauen die Leitung des Gemeindegebets nicht gestattet ist. Immerhin lässt das Amt noch ganz kurz einen prominenten klassischen Gelehrten zu Wort kommen, der Frauen die Leitung des Gemeindegbets erlaubt hatte.
Schlagworte: Theologie, Gemeindegebet, Leitung, Frau, Gleichheit, Gleichwertigkeit, Staatsmuftiamt, Ägypten
16.10.2016
Darul Uloom Deoband: Bart bei der Luftwaffe
Die bekannte islamische Universität im indischen Deoband sorgt gerade mit einer Fatwa zum Barttragen für einige Diskussionen. Entscheidend dürfte sein, dass der Fragesteller bei der indischen Luftwaffe arbeitet. Diese verbietet ihm nach seiner Schilderung das Barttragen.
Der Mufti empfiehlt dem Fragesteller zwar zunächst den Arbeitsvertrag zu kündigen, aber nur für den Fall, dass er finanziell abgesichert ist. Sollte das nicht der Fall sein, so muss der Fragesteller den Arbeitsvertrag nicht kündigen. Das deutet darauf hin, dass der Mufti den Erwerb des Lebensunterhalts als Notwendigkeit (Darura) oder zumindest als Bedürfnis (Hadscha) ansieht, dass die weitere Erfüllung des Arbeitsvertrages ohne Bart rechtfertigt. Gleichwohl soll sich der Fragesteller weiterhin um eine passende Arbeitsstelle bemühen.
Der Mufti hat aber noch eine Variante parat. All das gilt nämlich nur, wenn das Verbot des Barttragens vertraglich vereinbart wurde. Wenn es keine derartige Klausel gibt, sondern nur eine direkte Anweisung, soll der Antragsteller sein Grundrecht auf Religionsfreiheit nach der indischen Verfassung geltend machen. Tatsächlich ist es wohl so, dass Sikhs in der indischen Luftwaffe Bart tragen dürfen (vgl. The Financial Express: Darul Uloom Deoband fatwa targets IAF? Asks Muslim official to quit job if beard demand rejected). Ein Rechtfertigungsgrund für diese Ungleichbehandlung ist jedenfalls nicht ohne Weiteres erkennbar.
Schlagworte: Arbeitsrecht, Bart, Notwendigkeit, Religionsfreiheit, Gleichheit, Luftwaffe, Indien, Deobandis
09.10.2016
Ask Imam: How to stay away from zina
Dieser hanafitische Fatwa-Online-Dienst befasst sich wieder einmal mit der Unzucht (Zina). Der in Bangladesch wohnende Fragesteller schildert die Unzucht mit seiner Schwägerin, die im gemeinsamen Familienheim mit ihm wohnt. Sein Bruder lebt im Ausland. Man kann als im Hintergrund zusammentreffende Faktoren dieses Sachverhaltes die Großfamilie und die Globalisierung erkennen.
Der Mufti vermeidet es in seiner Antwort sichtlich das scharfe Schwert des islamischen Strafrechts zu schwingen. Der Sachverhalt beruht ohnehin nur auf dem Geständnis des Fragestellers, was dieser widerrufen könnte. Zeugen scheint es nicht zu geben.
Zunächst verweist der Mufti mit einem Koranvers auf die Regeln gegenüber welchen Verwandten sich eine Frau zu verschleiern hat, verweist aber zugleich auch auf die Verantwortung des Fragestellers. Intensiv verweist er sodann auf die strafbefreiende Reue (Tauba). Nach Meinung des Muftis könne die Ernsthaftigkeit der Reue nur durch den Auszug des Fragestellers aus dem Familienheim belegt werden.
Schlagworte: Strafrecht, Unzucht, Reue, Hanafiten
03.10.2016
tunisialive: Grand Mufti’s Civil Intervention Slammed
Nach diversen Pressemeldungen erregt der tunesische Staatsmufti Aufmerksamkeit, weil er am 27.09. dazu aufgerufen hat Demonstrationen und Streiks in Tunesien zu beenden. Die Kritik entzündet sich dabei gerade an der Tatsache, dass es sich bei dem Aufruf um keine Fatwa handelt.
Die Forderung einer Trennung von Staat und Religion ist insofern nachvollziehbar. Die entscheidende Frage ist allerdings wie man sie gestaltet. Notwendige Voraussetzung einer pluralen Gesellschaft sind verschiedene abgrenzbare Akteure. Und selbstverständlich haben auch Amtsträger ihre eigenen politischen Ansichten, die sie äußern dürfen. Der Kern des Problems liegt im Verhältnis zur Aufgabe und Zuständigkeit des jeweiligen Amtsträgers. Es ist also notwendig die Zuständigkeiten und ihre Grenzen und Bedingungen neu zu definieren. Und dieser Prozess wird nicht nur in Tunesien voraussichtlich noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
Schlagworte: Staat, Religion, Streikrecht, Meinungsfreiheit, Staatsmufti, Tunesien