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Die aktuelle Fatwa: November 2014

24.11.2014

Dar al Ifta' al-misriyya: Vienna: The Grand Mufti of Egypt addresses the world on the methodology to fight extremism

Das ägyptische Staatsmuftiamt hat gerade mehrere Presseerklärungen zu einer Konferenz in Wien herausgegeben. Es handelt sich um die Konferenz “United against Violence in the Name of Religion” des saudischen "King Abdullah bin Abdulaziz International Centre for Interreligious and Intercultural Dialogue" (KAICIID). In seiner dortigen Rede wandte sich der ägyptische Staatsmufti Dr. Shawky Allam gegen Gewalt im Namen der Religion und insbesondere gegen ISIS, deren Gewalttaten das islamische Recht verbietet.
Im Wesentlichen setzt der Staatsmufti auf Zusammenhalt unter den Muslimen und den Dialog mit anderen Religionen. Schließlich ruft er auch die westlichen Medien zu verantwortlichem Handeln dergestalt auf, dass sie die Extremisten marginalisieren und ihren Fokus auf die klassischen islamischen Rechtsgelehrten richten. Der Aufruf ist zutreffend, allerdings in der zweiten Hälfte nicht ganz uneigennützig.
Aus den weiteren Pressemitteilungen geht im Wesentlichen hervor, dass das ägyptische Staatsmuftiamt ein Beobachtungszentrum aufbaut, das extremistische Fatwas analysiert und widerlegt.

Schlagworte: Terrorismus, ISIS, Medien, Rechtsgelehrte, Staatsmuftiamt, Beobachtungszentrum, Ägypten, KAICIID, Saudi-Arabien, Wien, Österreich

17.11.2014

Darul Ifta Birmingham: Does the husband still have the right to divorce his wife even though he has delegated the right of divorce to her

Frauen aus dem islamischen Kulturraum wissen, dass man benachteiligende Regeln des islamischen Rechts durch einen Ehevertrag abbedingen oder ändern kann. Ein interessanter Fall dazu wird in dieser Frage geschildert. In diesem Fall wurden der Frau zwar nicht durch den Ehevertrag weitere Rechte eingeräumt, aber der Mann gab ihr nachträglich ein Recht auf einseitige Erklärung der Scheidung (Talaq). Zwei Monate später erklärte die Frau einmal die Scheidung. Der Mann erklärte daraufhin dreimal die Scheidung.
Der Mufti erlaubt die nachträgliche Einräumung weiterer Rechte grundsätzlich, knüpft sie aber an bestimmte Bedingungen. Dabei kann der Mann ein bedingtes oder befristetes Recht einräumen. Allerdings kann er die Rechtseinräumung nicht zurücknehmen.
Der Mufti schließt nun in diesem Fall auf ein unbedingtes Recht zur Scheidung. Dann allerdings setzt er sich in Widerspruch zu den vorher aufgestellten Bedingungen. Danach musste nämlich eine Befristung explizit erwähnt werden. Nun meint er, dass die Unbefristetheit explizit erwähnt werden muss. Ansonsten sei das Recht auf die Zeit der konkreten Vereinbarung beschränkt, d. h. die Frau hätte die Scheidung sofort aussprechen müssen. Das macht wenig Sinn, denn dann hätte der Mann die Scheidung statt der Rechtseinräumung aussprechen können.
Schließlich stellt der Mufti zutreffend fest, dass der Mann durch die Rechtseinräumung nicht auf sein Recht zur Scheidung verzichtet hat. Dass er die Scheidung dreimal unmittelbar hintereinander ausgesprochen hat, thematisiert der Mufti nicht mehr.

Schlagworte: Familienrecht, Ehevertrag, Scheidung, Rechtseinräumung, Bedingung, Befristung, Verzicht, Deobandi

10.11.2014

World Bulletin: Libya legislature dissolves Fatwa authority

Das libysche Parlament hat das Staatsmuftiamt aufgelöst. Dieser Schritt richtet sich allerdings nicht gegen das Fatwawesen an sich, sondern gegen den Amtsinhaber Sadiq al-Ghariani. Das kann man daran erkennen, dass das Parlament die Aufgabe der Stiftungsbehörde übertragen hat. Da es sich um islamische Stiftungen handelt, zu denen Bildungseinrichtungen gehören, ist entsprechende Sachkompetenz auch dort vorhanden. Der Schritt war überfällig, da sich der Staatsmufti auf die Seite der Islamisten geschlagen hat und sein Amt dazu genutzt hat, u. a. frauenfeindliche Fatwas zu erlassen.

Schlagworte: Parlament, Staatsmuftiamt, Auflösung, Stiftungsbehörde, Sadiq al-Ghariani, Libyen

06.11.2014

Bloomberg News: Fatwa No Barrier to Saudi Arabia’s $6 Billion Bank IPO

Fatwas müssen nicht befolgt werden, weil sie nicht bindend sind. Dass sich ausgerechnet die größte saudische Bank über eine Fatwa des saudischen Staatsmuftis zumindest vorerst hinwegsetzt, ist dann aber doch überraschend. Der Börsengang ist offensichtlich zu groß, als dass man ihn noch hätte stoppen wollen. Der saudische Staatsmufti ist der Meinung, dass hier verbotener Wucher bzw. Zins vorliegt. Bemerkenswert ist, dass das Scharia-Komitee der Bank selbst davon ausgeht, dass 67 Prozent des Vermögens dem islamischen Recht entspricht. Und das ist wohl die eigentliche Überraschung, denn damit entspricht eine relevante Quote nicht dem islamischen Recht und das wird üblicherweise vor einer Börsentransaktion geprüft.

Schlagworte: Wucher, Zins, National Commercial Bank, Staatsmufti, Saudi-Arabien

03.11.2014

malaymail online: Muslim women’s group to challenge fatwa against liberalism, pluralism

Der Islamische Rat des malaysischen Bundesstaates Selangor (MAIS) hat bereits am 31.07.2014 eine Fatwa veröffentlicht, nach der die Sisters in Islam (SIS), ein sozial engagiertes privates Unternehmen, verboten sind. SIS will nun eine Klage gegen die Fatwa einreichen. Es stellt sich somit wieder die Frage nach dem Verhältnis von islamischem zu staatlichem Recht, in diesem Fall in Malaysia bzw. Selangor. Dieses Ringen kann insbesondere in Südasien schon seit einiger Zeit beobachtet werden.
Sollte die Fatwa tatsächlich so erteilt worden sein, ist sie äußerst interessant, denn sie erklärt Personen und Gruppen, die sich zu Liberalismus und religiösem Pluralismus bekennen, für außerhalb des Islams stehend. Der Islam wird damit dem Grunde nach nicht für vereinbar mit Liberalismus und Pluralismus erklärt. Entsprechende Publikationen werden zur Beschlagnahme durch religiöse Autoritäten freigegeben. Ebenso sollen Internetseiten gesperrt werden. Immerhin fordert die Fatwa die betreffenden Personen zur Reue und zur Umkehr auf den rechten Weg auf.
Zwar sind Fatwas nicht bindende Rechtsmeinungen, aber das staatliche malaysische Recht sieht vor, dass sie durch (amtliche) Veröffentlichung Gesetzesrang erlangen können. Diese Veröffentlichungen führen immer wieder zu Problemen, die heiß diskutiert werden. Dass SIS als Unternehmen schon dem Grunde nach kein religiöses Bekenntnis abgegeben kann und deshalb auch nicht Gegenstand einer Fatwa sein kann, ist ein gutes Argument.

Schlagworte: Fatwawesen, staatliches Recht, islamisches Recht, Bindungswirkung, Liberalismus, Pluralismus, Apostasie, Reue, Glaubensbekenntnis, Sisters in Islam (SIS), Islamischer Rat Selangor (MAIS), Malaysia