Die aktuelle Fatwa: November 2020
29.11.2020
Ask Imam: How do we lawfully entertain ourselves as teenagers?
In dieser Fatwa geht es um die islamisch erlaubten Freizeitbeschäftigungen von Jugendlichen. Der Fragesteller bringt mit einigen prägnanten Beispielen sehr gut auf den Punkt, dass alles was Spass macht nach einer strikten Islamauslegung verboten ist. Nun möchte er wissen was, abgesehen von langweiligen Picknicks und Spaziergängen im Park noch möglich ist.
Der Mufti bleibt die Antwort nicht schuldig. Zunächst erklärt er allerdings sehr lang die Bedeutung der Jugend und ihrer islamischen Erziehung. Er zieht u. A. den Vergleich zu einem Vater, der seinem Sohn die Einnahme von Gift verbietet. Ferner stellt der Mufti tabellarisch islamische und westliche Werte, oder was er dafür hält, nebeneinander, einschließlich ihrer Auswirkungen. Das wirkt alles sehr pauschal. Immerhin verbietet der Mufti soziale Medien nicht grundsätzlich, sondern rät nur zur Vorsicht.
Und am Ende zählt er sogar noch einige markante erlaubte Freizeitbeschäftigungen auf, wie beispielsweise Reiten, Skating, Rollerblading und Quadfahren.
Schlagworte: Jugend, Freizeit, Erziehung, Werte, soziale Medien, Hanafiten
22.11.2020
Islam - Q & A: He got a promotion at work via bribery. Is his salary haraam?
Der Fragesteller möchte wissen, ob das Einkommen aus einer Anstellung,
die er durch Bestechung erlangt hat, erlaubt ist. Er teilt noch mit,
dass er zuvor unter seiner universitären Qualifikation angestellt war
und unter dem Druck durch seinen Vorgesetzten gelitten hat. Außerdem
spende er monatlich von seinem Gehalt.
Der Mufti stellt zunächst fest, dass Bestechung und Bestechlichkeit
verboten (haram) sind. Allerdings seien davon Fälle ausgenommen, in
denen die Bestechung dazu dient Ungerechtigkeit zu beseitigen oder
Rechte zu erhalten, die nur so erhalten werden können. In diesen Fällen
ist es aber nur für den erlaubt, der besticht und nicht für den, der
sich bestechen lässt. Der Mufti begründet hier einen recht
differenzierten Rechtfertigungsgrund.
Allerdings macht der Mufti noch zur Voraussetzung, dass man auch für die
erlangte Anstellung ausreichend qualifiziert ist, dass man die Tat
bereut und Geld spendet.
Schlagworte: Strafrecht, Bestechung, Bestechlichkeit, Anstellung, Ungerechtigkeit, Qualifikation, Reue, Spende, Wahhabiten
15.11.2020
Darul Ifta Birmingham: The Disagreement Between Siblings of Payment of Debt
Immer wieder sind Fatwas interessant, da in ihren Fragen ausführliche
Sachverhalte dargestellt werden. So erfährt man durch diese Frage einige
familiäre und finanzielle Verwicklungen. Die Fragestellerin hatte sich
von ihrer Schwester Geld geliehen um ihrem Sohn ein Haus zu kaufen. Nun
erwirkt nicht ihre Schwester, sondern ihr Bruder Gerichtsbeschlüsse
gegen sie, die wohl im Zusammenhang mit der Rückzahlung dieser Schuld
stehen. Ihr Bruder würde allerdings keine Steuern zahlen, obwohl er
reich sei. Sie und ihre Mutter hätten auf dem Land des Bruders
gearbeitet ohne Lohn zu erhalten. Schließlich soll ihre Schwester
geschworen haben, dass der Bruder ihr das von der Fragestellerin
geschuldete Geld zurückzahlen solle.
Der Mufti stellt zunächst fest, dass Geldleihe im Islam
grundsätzlich erlaubt ist. Dann meint er, dass es nicht ganz klar ist
welche Art von Transaktion sie mit ihrem Bruder vereinbart hat. Das
trifft das Problem möglicherweise schon im Ansatz nicht. Denn es kann
sein, dass es gar keine schuldrechtliche Vereinbarung gibt. Gerade auch
langjährige innerfamiliäre Leistungen können häufig ganz ohne
vertragliche Vereinbarung, also ohne Rechtsgrund vorgenommen werden. Das
deutsche Recht sieht für solche Fälle einen Anspruch aus
ungerechtfertigter Bereicherung vor, wenn nicht schon speziellere
familienrechtliche Anspruchsgrundlagen einschlägig sind.
Schließlich stellt der Mufti fest, dass sie ihrer Schwester das Geld
zurückzahlen muss. Wenn ihr Bruder zugestimmt hätte, ihre Schuld bei
ihrer Schwester zu tilgen, wäre sie davon befreit. Der Mufti
thematisiert aber nicht, ob der Schwur ihrer Schwester, dass der Bruder
das Geld zurückzahlen solle, ein unzulässiger Vertrag zu Lasten Dritter
ist.
Schlagworte: Vertragsrecht, Familienrecht, Darlehen, Gerichtsbeschluss, familiäre Arbeit, Eid, Deobandi
08.11.2020
Islamweb: Husband Is Not Sinful for Refusing to Have Sexual Intercourse Unlike the Wife
Häufig findet man in Fatwas die Behauptung die Verweigerung des
Beischlafes durch die Ehefrau sei eine Sünde. Hier wird nach dem
umgekehrten Fall gefragt.
In der Antwort werden verschiedene hanbalitische Lehrmeinungen
wieder gegeben. Nach der Ersten ist der Ehemann verpflichtet den
Beischlaf zu vollziehen, außer er hat eine anerkannte Entschuldigung.
Nach der zweiten Meinung bestimmt der Richter die Häufigkeit im Wege der
freien Rechtsfindung (Idschtihad). Das ist doch ein recht komplizierter
Weg und zeigt die Problematik des Themas auf. Denn nach deutschem Recht
wäre ein solcher Anspruch jedenfalls nicht vollstreckbar (§ 120 Abs. 3 FamFG).
Auch im islamischen Recht werden solche Ansprüche faktisch an der
Vollstreckung scheitern. Hier ist allerdings darauf hinzuweisen, dass
die Problematik eher im theologischen als im rechtlichen Bereich
angesiedelt ist. Für die Ehefrau sei die Verweigerung eine Sünde.
Mit einem Zitat Ibn Taymiyyas, der derzeit gerne als Gewährsmann von
hanbalitischen Juristen herangezogen wird, wird noch ergänzt, dass der
Anspruch der Ehefrau auf Beischlaf sogar größer bzw. wichtiger sei als
ihr Anspruch auf Lebensunterhalt.
Schließlich wird, ebenfalls mit einem Zitat, die Frage beantwortet,
weshalb die Verweigerung des Beischlafs durch die Ehefrau eine Sünde ist
im Unterschied zum umgekehrten Fall. Das Bedürfnis der Männer nach
Geschlechtsverkehr sei größer und die Fähigkeit Abstinenz auszuhalten
sei schwächer. Aber muss die Verweigerung durch die Ehefrau deshalb
gleich eine Sünde sein?
Schlagworte: Familienrecht, Theologie, eheliche Pflichten, Beischlaf,
Sünde, freie Rechtsfindung, Bedürfnis, Abstinenz, Hanbaliten
01.11.2020
eShaykh: is rejecting a life-saving operation = suicide?
In dieser Fatwa geht es um lebensverlängernde Maßnahmen bzw. deren
Unterlassen. Die Frage ist konkret, ob die Verweigerung einer
lebensrettenden Operation gleich Selbstmord ist, der nach herrschender
Meinung in der islamischen Theologie verboten ist.
Der sufisch orientierte Fatwa-Online-Dienst gibt der Patientin die
Freiheit diese Frage selbst zu entscheiden und auch auf
lebensverlängernde Maßnahmen verzichten zu können. Sodann wird noch
erwähnt, dass die schafiitische Rechtsschule empfiehlt die Medizin zu
nutzen, aber selbst sie würde es nicht als Pflicht sehen, da die
Effektivität nicht gewiss sei.
Letztlich lehnt der Mufti einen Selbstmord durch Unterlassen mit
Bezug auf einen Koranvers ab, der die Wendung enthält "sich nicht mit
eigenen Händen in das Verderben zu stürzen".
Die Frage nahm Bezug auf Fatwas des ägyptischen Staatsmuftiamtes zu
dem Thema, die in der Antwort verlinkt sind. Freilich sind die Links
leer und die Fatwas lassen sich nicht ohne Weiteres finden. Da an dem
Fatwa-Online-Dienst der vorherige ägyptische Staatsmufti Ali Gomaa
beteiligt ist, mag der Bezug hergestellt worden sein, um seine eigenen
Fatwas oder die seines Nachfolgers zu erläutern oder zu korrigieren.
Schlagworte: lebensverlängernde Maßnahmen, Selbstmord, Unterlassen, Schafiiten, Staatsmuftiamt, Ägypten