Die aktuelle Fatwa Cyberfatwa Publikationen zum Fatwawesen Personenverzeichnis Statistik zu Fatwas über Alkohol und neue Medien Verzeichnis der Signaturen der Fatwaanbieter Cyberislam News Impressum, Haftungshinweis und Datenschutzerklärung

Die aktuelle Fatwa: Dezember 2013

30.12.2013

Islamweb: He agreed to questionable marriage terms under pressure from bride's family

Diese Fatwa behandelt den Fall, dass ein Mann im Ehevertrag durch die männlichen Verwandten der Frau benachteiligt wird. Der Mufti dieses sunnitischen Fatwa-Online-Dienstes stellt zunächst fest, dass die Bedingungen nicht dem Zweck des Ehevertrags widersprechen dürfen. Danach ist einigermaßen überraschend, dass der Mufti die erste Bedingung für wirksam hält. Der Mufti stützt seine Auffassung auf das Zeitmoment. Gerade dieses fehlt allerdings in dem geschilderten Fall. Ein komplettes Kontaktverbot widerspricht einer Ehe, die auf gemeinsame Lebensführung angelegt ist, diametral.
Ebenso überraschend ist die Auffassung des Muftis, dass die zweite Bedingung unwirksam sein soll. Es ist weit verbreitet, dass in islamischen Eheverträgen der Frau ein erweitertetes Scheidungsrecht eingeräumt wird. Auch hier gewinnt man den Eindruck, dass der Mufti die Frage nicht richtig gelesen hat. Aus der Formulierung ergibt sich keineswegs, dass dem Mann das Scheidungsrecht entzogen wird, sondern lediglich, dass der Frau ein erweitertes Scheidungsrecht eingeräumt wird.
Interessant sind die Ausführungen zur dritten Bedingung. Es ist nachvollziehbar, dass die Leistungszeit und die Höhe der Beträge unbestimmt sind und deshalb unter das Prinzip der Unsicherheit (Gharar) fallen. Die Begutachtung dieser Bedingung wird also durch Heranziehung des islamischen Wirtschaftsrechts gelöst.
Dagegen soll die Drucksituation nicht ausreichen, um sich von dem Ehevertrag zu lösen. Dem Mann bleibt somit in jedem Fall die Möglichkeit der Scheidung erhalten.

Schlagworte: Familienrecht, Ehevertrag, Zweck, Scheidung, Unterhalt, Unsicherheit

23.12.2013

CentralAsiaOnline.com: Taliban disregards fatwas in favour of polio vaccination

Erst Anfang diesen Monats hatte ich die Debatte über die Schluckimpfung gegen Polio aufgegriffen und den Ableger in Indien besprochen (vgl. Die aktuelle Fatwa vom 03.12.2013). Nun erscheint ein Artikel, der die Hauptströmung der bezüglich Pakistan geführten Debatte zusammenfasst.
Islamrechtlich interessant ist die Zahl von 150 Fatwas, in denen die Schluckimpfung befürwortet wird. Meines Erachtens besteht bei so einer hohen Anzahl an Fatwas ein Gelehrtenkonsens. Der Konsens (Idschma) ist nach dem Koran und der Prophetentradition (Sunna) die dritte Quelle des islamischen Rechts. Damit entsteht aus den Fatwas eine feststehende Rechtsregel, nach der die Schluckimpfung empfohlen (mandub) oder verbindlich (Fard) ist.
Ob die Taliban dadurch, dass sie gegen eine feststehende Regel opponieren, zu Ungläubigen werden, halte ich allerdings für zweifelhaft. Es handelt sich lediglich um eine abgeleitete Regel und nicht um eine Glaubensgrundlage.

Schlagworte: Medizinrecht, Polio, Schluckimpfung, Konsens, Apostasie, Taliban, Pakistan

17.12.2013

The Wall Street Journal: Q&A: Being a Minority Muslim in Malaysia

Die Langlebigkeit von Fatwas demonstriert dieser Artikel zum wiederholten Male. Der Konflikt geht auf eine Fatwa aus dem Jahr 1996 zurück. Zudem wird die Interaktion zwischen islamisch-religiösem und staatlichem Recht deutlich. Schließlich entfernt sich das Verständnis von Fatwas deutlich von den klassischen Grundlagen. Danach sind Fatwas nicht bindende Antworten auf konkrete Fragen. In Malaysia haben sie allerdings offensichtlich die Funktion einer Allgemeinverfügung. Ein sunnitischer nationaler Fatwarat erlässt Fatwas, die durch die Ministerpräsidenten der Bundesstaaten in Vollzug gesetzt werden können.
Dadurch, dass die sunnitische Konfession zum einzig gültigen islamischen Bekenntnis erklärt wird, entsteht eine Situation in der Nichtmuslimen, die sich auf das nicht religiöse staatliche Recht berufen können, größere Toleranz gewährt wird, als den Schiiten. Ob interkonfessionele Gewalt auf die unterschiedlichen Konfessionen an sich zurückgeführt werden kann, ist zweifelhaft. Sie dürfte eher mit der politischen Struktur eines Staates, bzw. mit ihrem Fehlen zusammen hängen.
Interessant ist, dass das Oberhaupt der zwölferschiitischen Gemeinde in Malaysia zunächst zutreffend auf die sehr politischen Aspekte der islamischen Glaubensspaltung verweist. Hier sind ja auch laut Aussage des Ministers unterschiedliche Meinungen möglich. Nur nebenbenbei bemerkt sei, dass Husain, der dritte Imam der Schiiten, in der Schlacht von Kerbela getötet wurde.
Es folgt eine nahezu klassische Aufzählung sunnitischer Vorurteile gegenüber Schiiten. Sollte das Eingang in die Fatwa gefunden haben, ist sie auch materiell bedenklich.
Meines Erachtens dreht sich der Konflikt um zwei Kernprobleme. Zum Einen geht es um Mission (Dawa). Die islamische Mission ist in aller Regel innerislamisch. Das kann man auch verschiedenen Anmerkungen des Artikels entnehmen, vor allem der Person des Oberhauptes der zwölferschiitischen Gemeinde in Malaysia selbst, der vorher Sunnit war. Das bedeutet, dass die schiitische Mission vor allem auf Sunniten ausgerichtet ist.
Das zweite Problem ist, dass das malaysische Recht lediglich eine sunnitische und eine staatliche Gerichtsbarkeit vorsieht. Wie man dem Artikel entnehmen kann, findet das Verfahren vor einem religiösen Gericht statt. Es wird also gerade nach sunnitischem Recht geurteilt. Eine schiitische Gerichtsbarkeit fehlt schlicht. Die andere Alternative wäre schiitische Angelegenheiten nach dem nicht religiösen staatlichen Recht zu beurteilen. Voraussetzung dafür wird sein Schiiten nicht als Muslime zu betrachten, was ganz erhebliche Risiken birgt.

Schlagworte: Sunniten, Schiiten, Bindungswirkung, Mission, Nationaler Fatwarat, Malaysia

10.12.2013

OnIslam: Human Rights in Islam

Passend zum heutigen Tag der Menschenrechte erscheint auf der Plattform OnIslam diese Fatwa. Was die Fatwa trotz aller Bemühung nicht schafft, ist den Vorrang der Menschenrechte anzuerkennen. Obwohl nicht explizit ausgesprochen, gehen die Muftis von einem Scharia-Vorrang aus. Dieser wird mehrfach durch das Beharren auf der Gültigkeit von Leibesstrafen impliziert. Das Menschenrechtsverständnis bleibt somit, zumindest in der Form, partikular. Menschenrechte werden nur im Rahmen des islamischen Rechts anerkannt.
Immerhin werden materiell die Grenzen des Islams insofern überschritten, als beispielsweise das Recht auf Leben als absolut, unabhängig vom Glauben, anerkannt wird. Die Ausführungen zu den Frauenrechten bleiben, abgesehen vom Verbot der Unzucht, unbestimmt. Ebenso unbestimmt bleibt das Recht auf Gerechtigkeit. Interessant sind die Ausführungen zu den sozialen Rechten, wie zum Recht auf Existenzminimum, das zum Gebot für denjenigen erstarkt, der zur Hilfe fähig ist. Das entspricht dem Gleichheitsgedanken, der eine starke Basis im Islam hat. Daraus leiten die Muftis ein weiteres Recht ab: das Recht auf Kooperation.
Die Haltung zur Sklaverei ist idealtypisch. Das sah in der islamischen Geschichte durchaus anders aus, man denke nur an die Mamluken - Militärsklaven aus denen allerdings immerhin eine Dynastie hervorging. Bemerkenswert ist schließlich der Hinweis, dass die Antwort auf einer Rede Maududis beruht, eines islamistischen Vordenkers Pakistans.

Schlagworte: Menschenrechte, Scharia, Vorrang, Leibesstrafen, Absolutheit, Leben, Frauenrechte, Unzucht, Gerechtigkeit, soziale Rechte, Gleichheit, Existenzminimum, Kooperation, Sklaverei, Sayyid Abul Ala Maududi

03.12.2013

Oneindia News: Muslim Cleric's shocking fatwa: Boycott polio campaign, schools

Mit dieser Fatwa schwappt die per Fatwa geführte Debatte über die Bekämpfung von Polio auf Indien über. Sie war zuletzt im Wesentlichen in (Bezug auf) Pakistan geführt worden. Dort wurden Unterwanderungen durch amerikanische Geheimdienste befürchtet, was bis hin zu Gerüchten ging, dass die Schluckimpfung gezielt schädliche Substanzen enthalte (vgl. PakTribune: Fatwa declares polio vaccine Islamic, 25.10.2013). Dass gerade Bill Gates sich maßgeblich für die Bekämpfung von Polio engagiert, ist sicher ein weiterer Anlass für Gerüchte. Um diesen Vorbehalten entgegen zu wirken, hat Unicef bereits ein Heftchen mit Fatwas zusammengestellt, die sich dafür aussprechen, dass die Schluckimpfung nach dem islamischen Recht erlaubt ist (vgl. The News: Unicef publishes fatwas in favour of polio vaccination, 14.03.2013).
Ob diese Fatwas bei der weit entfernten lokalen muslimischen Bevölkerung in Indien angekommen sind, ist jedenfalls zweifelhaft. Die Debatte spielt sich hier vor einem anderen Hintergrund ab. Es geht offensichtlich um die kommunalpolitische Zuordnung einiger Dörfer zu dem einen oder anderen Distrikt eines indischen Bundesstaates.
Insofern ist zutreffend, dass sowohl die Form der Fatwa als auch inhaltlich die Schluckimpfung für politische Zwecke missbraucht werden. Interessant ist, dass der Mufti die Fatwa mit einer angeblich allgemein vollstreckbaren Strafdrohung versieht. Das widerspricht dem Grundsatz, dass Fatwas nicht vollstreckungsfähige Antworten auf konkrete Fragen sind. Wie in dieser Rubrik bereits ausgeführt, erlaubt das islamische Recht medizinische Maßnahmen zum Schutz der Schöpfung.

Schlagworte: Medizinrecht, Polio, Schluckimpfung, Strafdrohung, Vollstreckungsfähigkeit, Indien, Pakistan