Die aktuelle Fatwa: Mai 2025
30.05.2025
TechNave: Former WP Mufti introduces AI Ustaz and Ustazah to address religious questions
Ein ehemaliger Staatsmufti Malaysias hat zwei künstliche Intelligenzen entwickeln lassen, die Fragen beantworten, also Fatwas erteilen. Angeblich können sie auf mehr als 9.000 Fragen antworten. Diese Möglichkeiten werden aus einer Datenbank gegenwärtigen islamischen Rechts und aktueller Fatwas gespeist. Ihre Antworten würden auf der Haltung des ehemaligen Staatsmuftis zu religiösen Themen basieren.
Dieses Beispiel zeigt zunächst einmal, dass auch islamische Juristen sehr moderne digitale Anwendungen für ihren Bereich entdeckt haben. Die beiden künstlichen Intelligenzen werfen aber selbst ein paar Fragen auf. Zwar beeindruckt die Möglichkeit über 9.000 Antworten geben zu können, allerdings lebt das Fatwawesen davon, dass immer wieder neue Fragen und manchmal sehr kuriose Sachverhalte auftauchen, wie sie das Leben schreibt. Dann könnten die künstlichen Intelligenzen an ihre Grenzen kommen. Unabhängig davon stellt sich die Frage, welche Folgen es hat, wenn die beiden künstlichen Intelligenzen falsche Rechtsauskünfte geben, denn die Antworten auf Fragen können bedeutenden Einfluss auf das Leben von Muslimen haben. Ferner wurden die beiden künstlichen Intelligenzen mit animierten Körpern versehen, die jedenfalls auf den ersten Blick echt wirken. Es ist durchaus problematisch, wenn Laien diese beiden Intelligenzen für echte Menschen halten. Hinzu kommt, dass es sich um eine männliche und eine weibliche künstliche Intelligenz handelt bzw. handeln soll, aber ihre Antworten auf der Haltung des ehemaligen Staatsmuftis und dessen digitaler Bibliothek beruhen. Das kann bei Fragenden zu einer Fehlvorstellung über das Geschlecht des Antwortenden führen.
Schlagworte: KI, Fatwawesen, Irrtum, Geschlecht, Staatsmufti, Malaysia
11.05.2025
Islam - Q & A: He married her unofficially without the consent of her guardian and she had a miscarriage; now he wants to marry her officially then divorce her, to avoid her being exposed to scandal
Der Fragesteller schildert einen etwas verwickelten Sachverhalt. Er wollte eine Studienfreundin heiraten, doch beide Eltern hätten das abgelehnt. So hätten sie heimlich geheiratet. Nach eineinhalb Jahren sei sie unbeabsichtigt schwanger geworden. Deshalb hätten sie sich entschieden ihre Eltern nochmal von einer Heirat zu überzeugen, allerdings ohne Erfolg. Sodann habe die Schwangerschaft allerdings vorzeitig mit einer Fehlgeburt geendet. Sie hätten allerdings ihren Plan, ihre Eltern von einer Heirat zu überzeugen, weiterverfolgt. Es habe aber u. a. weitere Probleme zwischen seiner Freundin bzw. Ehefrau und seiner Mutter gegeben, wodurch sich die Gesundheit seiner Mutter verschlechtert habe. Er habe ihr gesagt, dass er sie nie heiraten könne. Sie habe vorgeschlagen, sie offiziell zu heiraten, und dann die Scheidung zu erklären, damit sie vor ihren Eltern das Gesicht wahren könne.
Der wahhabitische Mufti hält eine Heirat ohne Heiratsvormund für unwirksam. Wer sich dessen bewusst sei, sei zudem noch unzüchtig. Das stützt er auf Überlieferungen von Muhammad. Das sei die Rechtsmeinung der Malikiten, Schafiiten und Hanbaliten. Die hanafitische Rechtsschule sei der Meinung, dass eine Heirat auch ohne Vormund wirksam sei. Wenn ein Richter die Heirat für wirksam halte, gelte das, da es eine Meinungsverschiedenheit gäbe. Das sei auch der Fall, wenn der Ehevertrag von einem Richter durchgeführt worden sei. Andererseits seien Mann und Frau zu trennen, wenn das nicht der Fall sei und die Ehe auch nicht unter den Menschen bekannt gemacht worden sei. Insbesondere letztere Wirksamkeitsvoraussetzung ist interessant. Andererseits hängt nicht nur die Nichtigkeit der Ehe, sondern eine etwaige Strafbarkeit wegen Unzucht (Zina) von einem Meinungsstreit und islamischen Juristen ab. Es besteht also erhebliche Rechtsunsicherheit.
Der Mufti hält den Fragesteller nicht für verpflichtet, die Frau zu heiraten. Es sei allerdings erlaubt, sie mit dem Ziel, verheiratet zu bleiben, zu heiraten. Muhammad habe gesagt, dass der Muslim, der die Bedürfnisse eines Anderen erfülle, seine Bedürfnisse von Gott erfüllt bekomme. Wer ihm aus einer Notlage helfe, den werde Gott am Tag der Auferstehung aus einer Notlage helfen. Voraussetzung sei allerdings Reue für die begangenen Fehler. Der Mufti geht hier also von einer Unwirksamkeit der Ehe aus, obwohl das nach seinen eigenen Worten nicht ganz sicher ist.
Eine Zeitehe sei allerdings nicht erlaubt, auch in dem Fall, dass sie nicht ausdrücklich vereinbart sei. Unwirksam sei ebenfalls, wenn lediglich vereinbart sei, dass der Ehemann die Scheidung erklären werde, aber nicht wann. Der Mufti bemüht sich an dieser Stelle sehr ausführlich, jedwede Umgehung der nach seiner Meinung verbotenen Zeitehe ebenfalls zu verbieten.
Schlagworte: Familienrecht, Heirat, Vormund, Scheidung, Unzucht, Richter, Zeitehe, Malikiten, Schafiiten, Hanbaliten, Hanafiten
04.05.2025
IUMS: Fatwa of the Committee for Ijtihad and Fatwa at the International Union of Muslim Scholars regarding “The Ongoing Aggression on Gaza and the Suspension of the Ceasefire”
Die International Union of Muslim Scholars (IUMS) hat bereits am 28. März eine Fatwa erlassen, die mittlerweile starke Erwähnung in verschiedenen Medien erfährt. Wichtig für das Verständnis der Fatwa ist zunächst, dass die IUMS den Muslimbrüdern zumindest nahesteht. Zunächst fällt formell auf, dass die für eine Fatwa typische Frage fehlt bzw. nicht mehr wiedergegeben wird.
Schon die einleitenden religiösen Formeln machen sehr deutlich in welche Richtung die Fatwa geht, denn dort wird Gott unter anderem als der Vernichter von Tyrannen und als derjenige gepriesen, der die Märtyrer auswählt. Die Zahl der Märtyrer in Gaza habe mittlerweile 50.000 überschritten. Die zionistische Entität fahre mit ihrer Kampagne des Völkermordes fort. Ob es sich um Völkermord handelt, wird voraussichtlich noch der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag juristisch klären. Die Vereinigten Staaten würden die Entität unterstützen, während die arabischen Regime beschämend schweigen würden und viele islamische Regierungen Verrat begehen würden. Danach folgen insgesamt 15 Punkte.
Der erste und wichtigste Punkt ist, dass der Dschihad für alle Muslime und muslimischen Nationen verpflichtend sei. Es sei eine Pflicht für muslimische Regierungen unverzüglich zu intervenieren, und zwar militärisch, wirtschaftlich und politisch. Der Dschihad gegen die Besetzung sei eine individuelle Pflicht (Fard ain) für jeden fähigen Muslim. Diese Meinung spricht für eine islamistische Sichtweise, denn üblicherweise wird der Dschihad nur als eine Kollektivpflicht (Fard kifaya) angesehen, als dass es ausreichend Muslime geben muss, die ihn betreiben, aber nicht jeder. Allerdings verdichtet sich die Pflicht im Verteidigungsfall zu einer Individualpflicht. Das betrifft allerdings dann nur die Einwohner von Gaza. Außerdem ist nach klassischem sunnitischem Recht ein Khalif erforderlich, um einen Dschihad auszurufen. Moderne Juristen übertragen das teilweise auf Staatspräsidenten islamischer Länder. Gerade diese werden in der Fatwa ja zum Handeln aufgerufen.
In Punkt zwei wird erklärt, dass Hilfe des Feindes verboten sei. Dabei werden insbesondere Transportwege genannt und u. a. ausdrücklich der Suezkanal angesprochen. Land-, Luft- und Seewege müssten komplett blockiert werden.
Im dritten Punkt wird die Lieferung von Öl und Gas an die zionistische Entität verboten. Auch die Lieferung von Nahrung und Wasser sei verboten, solange die Kinder in Gaza darben würden. Wer das aus Liebe zum zionistischen Feind und mit der Absicht den Widerstand zu schwächen mache, sei ein Apostat. Wer es aus Gewinnstreben mache, begehe eine große Sünde. Man kann hier deutlich eine Argumentation des politischen Islam erkennen. Politische Forderungen werden mit religiösen Folgen wie Apostasie (Abfall vom Islam) und Sünde verknüpft.
In den weiteren Punkten wird gefordert, dass muslimische Länder eine militärische Allianz bilden sollen und dass diejenigen, die Verträge mit der Entität hätten, ihren Einfluss nutzen sollten. Eine Normalisierung mit der besetzenden zionistischen Entität sei verboten. Die muslimischen Staaten müssten ihre Verbindungen lösen. Islamische Gelehrte sollen ihren Einfluss nutzen.
Finanzieller Dschihad sei eine Pflicht für jeden fähigen Muslim. Für reiche Muslime ginge die Pflicht über die Zakat, also die verpflichtende Almosengabe, hinaus. Ferner gibt es einen Boykottaufruf an Muslime und muslimische Staaten. Muslime werden zu zivilem Ungehorsam aufgerufen, falls ihre Regierungen Hilfe für Gaza blockieren würden. Es gäbe keinen Gehorsam gegenüber einem erschaffenem Wesen in Ungehorsam gegenüber dem Schöpfer. Auch hier ist die Verquickung einer politischen Forderung mit Religion deutlich erkennbar.
Der amerikanische Präsident wird namentlich angesprochen sich an seine Versprechen zu erinnern. Muslimische Gemeinschaften in den Vereinigten Staaten sollten alle Mittel nutzen, um ihre Regierung zu beeinflussen.
In der ganzen Fatwa ist immer nur von der zionistischen Entität die Rede. Nur im letzten Punkt wird u. a. einigen jüdischen Stimmen des Gewissens gedankt, die die Menschen in Gaza unterstützen würden. Die Hamas, eine Organisation der Muslimbrüder, wird gar nicht erwähnt. Ein in der Fatwa erwähnter Grund ist sicher ein Aufruf zur Einigkeit zwischen verschiedenen palästinensischen Gruppen. Die Fatwa selber kann man aber in ihren gesamten Ausprägungen als eine islamistische Mindermeinung bezeichnen. Eine Umsetzung ist in den allermeisten Teilen nicht zu erwarten. Wäre sie nicht auch durch israelische bzw. jüdische Medien aufgegriffen worden, hätte sie vielleicht gar nicht so weite Verbreitung gefunden. Denn bei der IUMS handelt es sich um eine Organisation von Gelehrten, ihr Einfluss außerhalb dieser Zirkel könnte also übersichtlich sein.
Schlagworte: Dschihad, Völkermord, Individualpflicht, Kollektivpflicht, Hilfe, Boykott, Apostasie, Sünde, Allianz, Verträge, Normalisierung, IUMS, Gaza, Israel, Verenigte Staaten