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Die aktuelle Fatwa: September 2014

29.09.2014

Shaykh Abdallah bin Bayyah: Fatwa Response to ISIS

Mittlerweile haben sich eine Vielzahl anerkannter Muftis gegen ISIS ausgesprochen. Bei dieser Fatwa lohnt allerdings mal wieder ein etwas näheres Hinsehen. Die von Shaykh bin Bayaah auf seiner Website veröffentlichten Fatwas zeichnen sich formell zunächst dadurch aus, dass sie die Frage samt Fragesteller nicht wiedergeben. Das wird man als Versuch bezeichnen müssen die Fatwa autoritativer erscheinen zu lassen, weil sie dadurch den Charakter eines feststehenden Rechtssatzes erhält.
Inhaltlich zeichnet sich die Fatwa durch ihre erhebliche Länge und Substanz aus. Bemerkenswert sind schon die einleitende vier Zitate, mit denen bin Bayyah eine Traditionslinie herleitet, in die er sich offensichtlich einreiht. Das Koranzitat wendet sich zunächst generell gegen den Einsatz von Gewalt. Danach folgt ein Zitat Muhammads, das vor dem Rückfall in Unglauben warnt. Interessant ist die Interpretation, dass damit das Für-Ungläubig-Erklären (Takfir) verboten sein soll. Das ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Wortlaut, der vom Rückfall in den Unglauben und dem gegenseitigen Töten spricht. Bin Bayyah verknüpft das Für-Ungläubig-Erklären als Voraussetzung für eine Tötung des vom Islam Abgefallenen mit der Warnung vor dem gegenseitigem Töten in diesem Ausspruch Muhammads.
Es folgt ein Zitat des zweiten Khalifen Umar bezüglich des Verfahrens zur Bestimmung eines Khalifen. Interessant ist wiederrum das vierte Zitat des Schulgründers Ahmad Ibn Hanbal. Dieser verbietet das Blutvergießen von Muslimen untereinander. Das ist hier besonders bedeutend, da es hier im Zusammenhang mit der These von der Erschaffenheit des Korans gebracht wird. Selbst diese in der islamischen Geschichte heftigst umstrittenen These stellt demnach keinen Rechtfertigungsgrund für eine Tötung dar und das sogar aus der Sicht eines Geistlichen, der sicher selbst ein starker Gegner dieser These war. Diese Argumentation führt bin Bayyah in der eigentlichen Antwort weiter aus.
Dort wendet er sich auch gegen die Ausrufung eines heiligen Krieges. Im Weiteren Verlauf (unter 3.) erklärt er dann den Begriff Dschihad. Hierzu führt er weitere Zitate Muhammads an. Danach besteht Dschihad vor allem darin gute Taten zu tun. Den kriegerischen Dschihad definiert bin Bayyah ausschließlich als defensiven Dschihad zur Verteidigung der Religionsfreiheit. Schließlich bezieht sich bin Bayyah auf die historischen Gegebenheiten des kriegerischen Dschihads. Damals gab es keine internationalen Abkommen und keine Grenzen. Besonders interessant ist, dass er anführt, dass es seinerzeit auch keine Massenvernichtungswaffen gab. Bin Bayyah kann damit die vorangegangene These, dass der Koran Gottes Wort ist, aufrecht erhalten, indem er den Koran gleichwohl im historischen Kontext interpretiert.
Bin Bayyahs Bedeutung wurde aktuell noch dadurch erhöht, dass der Präsident der Vereinigten Staaten, Barack Obama, ihn in seiner Rede vor den Vereinten Nationen zitierte. Allerdings wird auch Kritik an bin Bayyah geäußert, da er Vizepräsident der von Yusuf Qaradawi geleiteten International Union of Muslim Scholars war, die die Tötung amerikanischer Soldaten im Irak gerechtfertigt habe (vgl.NPR: Prominent Muslim Sheik Issues Fatwa Against ISIS Violence).

Schlagworte: ISIS, Gewalt, Für-Ungläubig-Erklären, Erschaffenheit des Koran, Khalifat, defensiver Dschihad, Religionsfreiheit, Völkerrecht, Grenzen, Massenvernichtungswaffen, Hanbaliten, UN, USA, Mauretanien

22.09.2014

Darul Ifta Birmingham: What is the punishment for a father who manhandled his son in such a manner that son dies

In dieser Frage wird die vorsätzliche Misshandlung des Sohnes mit Todesfolge durch den Vater geschildert. In der ersten Hälfte der Antwort geht der Mufti ausführlich auf die Folgen für das Seelenheil des Vaters aus theologischer Sicht ein.
Erst in der zweiten kürzeren Hälfte begutachtet er die strafrechtlichen Rechtsfolgen. Das klassische islamische Strafrecht sieht hier eine Wahlmöglichkeit zwischen Vergeltung, Blutgeld und Vergebung vor. Der Mufti schränkt die Wahlmöglichkeit in diesem Fall sogleich erheblich ein. Die Vergeltung in Form der Todesstrafe soll nach einem Ausspruch Muhammads in solchen Fällen nicht möglich sein. Weiterhin wird ein Fall geschildert, in dem der zweite Khalif Umar von dem Vater das Blutgeld forderte. Der Mufti deutet damit an, dass auch die Vergebung ausgeschlossen sein kann. Er geht damit weiter als eine andere sunnitische Fatwa, nach der im Falle fahrlässiger Tötung des Sohnes lediglich die Vergeltung ausgeschlossen war (vgl. Die aktuelle Fatwa vom 21.08.2013). Schließlich wird auch das Erbrecht des Vaters ausgeschlossen. Insgesamt besticht die Fatwa durch die klare Benennung der Rechtsfolgen, wenngleich die Ausführungen etwas kurz ausfallen.

Schlagworte: Strafrecht, Tötung, Vorsatz, Fahrlässigkeit, Vergeltung, Blutgeld, Vergebung, Deobandi

15.09.2014

gulfnews.com: Fatwa war rages over Egypt’s new waterway

Meinungsverschiedenheiten können per Fatwa auch über finanzielle Fragen ausgetragen werden, wie man dieser Meldung entnehmen kann. Dabei ist die Übersetzung des zentralen Begriffs Riba als Zins oder Wucher schon eine Interpretation. Üblicherweise wird er als Zinsverbot verstanden.
Dann ist nachvollziehbar, dass Zinsen zu 12 % zumindest von manchen Muftis sehr kritisch begutachtet werden. Bezeichnet man es als Dividende und handelt es sich tatsächlich um eine Gewinnbeteiligung, kann das Ergebnis allerdings schon ganz anders ausfallen. Dagegen kann man wiederrum Kritik üben, wenn es sich nur um eine Gewinnbeteiligung und nicht auch um eine Verlustbeteiligung handelt. Letztlich hängt die Interpretation von der konkreten Vertragsgestaltung ab. Zudem ist schwer vorstellbar, dass ein Verlustrisiko für die Anleger grundsätzlich ausgeschlossen ist.
Die erlaubende Fatwa des Staatsmuftiamts bleibt in der Hinsicht allerdings erstaunlich dünn. Stattdessen stellt es darauf ab, dass das islamische Recht die Entwicklung neuartiger Verträge erlaubt. Das wird in diesem Fall mit den Vertragsparteien begründet (vgl. Dar al-Ifta al-misryya: Is it permissible to purchase investment certificates to finance the New Suez Canal Project? ). Allerdings sind Banken, Staaten, Firmen und Privatpersonen keineswegs neue Beteiligte auf dem Gebiet der Islamic Finance. Eine ausführlichere Begründung, die auch auf die Vertragsklauseln eingeht, wäre wünschenswert gewesen.

Schlagworte: Islamic Finance, Zins, Wucher, Gewinnbeteiligung, Verlustbeteiligung, Vertragsfreiheit, Salafiten, Staatsmuftiamt, Ägypten

08.09.2014

Islamweb: Ruling on applying Islamic laws of inheritance on non-Muslims

Diese Fatwa befasst sich u. A. mit der Anwendbarkeit islamischen Rechts auf Nichtmuslime. Die Frage schildert einen Erbfall bei dem sämtliche Beteiligten keine Muslime sind, außer der mit Verfügung von Todes wegen bedachte Enkel.
Der Mufti geht zunächst davon aus, dass damit islamisches Recht nicht zur Anwendung kommt. Dabei setzt er offensichtlich gleichwohl voraus, dass der Enkel nach dem islamischen Recht durch die anderen noch lebenden Verwandten vom Erbe ausgeschlossen ist. Die Verfügung von Todes wegen beachtet er in diesem Zusammenhang nicht.
Der größte Teil der Antwort setzt sich sodann allerdings mit der Frage auseinander, ob islamisches Recht gleichwohl angewendet werden kann. Als religiöses Recht knüpft es an den Glauben der Personen an. Nun können auch Nichtmuslime eine Rechtswahl treffen und für das islamische Recht optieren. Der Mufti schildert folgend allerdings unterschiedliche Meinungen zu der Frage, ob diese Rechtswahl für das islamische Gericht verpflichtend ist.
Dazu zitiert er zunächst einen Koranvers, der Muhammad die Wahl ließ. Dieser Vers sei allerdings durch einen späteren Vers aufgehoben worden, der anordnet, dass das islamische Recht in solchen Fällen anzuwenden sei. Die unterschiedlichen Rechtsmeinungen werden durch zwei weitere Zitate ausführlich dargestellt.
Schließlich nimmt der Mufti eine konkrete Berechnung der Erbteile vor. Die Verfügung von Todes wegen zugunsten des Enkels hält er grundsätzlich für wirksam. Da das islamische Erbrecht den frei verfügbaren Teil allerdings auf ein Drittel der Erbmasse begrenzt, wird auch der Anteil des Enkels darauf begrenzt. Die Fatwa ermöglicht damit eine Rechtswahl, die sowohl das islamische Erbrecht als auch das Erbrecht des Enkels komplett ausschließt.
Die Verfügung zu Gunsten des ältesten Sohnes sei allerdings durch dessen ohnehin gegebenes Erbrecht ausgeschlossen und somit unwirksam. Ebenso unwirksam ist der Ausschluss des Erbrechts der Ehefrau und des anderen Sohnes. Das Ergebnis ist eine Aufteilung des Erbes in 24 Anteile von denen der Enkel acht erhält, die Ehefrau zwei und die Söhne jeweils sieben.
Schließlich weist der Mufti eindringlich darauf hin, dass der Fall wegen der Komplexität des islamischen Erbrechts nicht durch eine online Fatwa gelöst werden kann. Stattdessen empfiehlt er die Anrufung eines Gerichts.

Schlagworte: Erbrecht, Rechtswahl, Testament, Nichtmuslime

01.09.2014

Dar al-Ifta al-misryya: Can I chat online with a girl?

Diese undatierte ältere Fatwa des ägyptischen Staatsmuftiamts legt sehr schön dar, weshalb die Konversation zwischen Frau und Mann grundsätzlich erlaubt ist. Dazu werden einige Belege präsentiert. Ferner werden verschiedene Situationen durchgespielt, die alle als grundsätzlich erlaubt angesehen werden. Abschließend wird diese Erlaubtheit auch ausdrücklich auf die online Konversation bezogen.
Warum ist das aktuell? Nach einer Meldung von Gulfnews hat das ägyptische Staatsmuftiamt am Freitag eine Fatwa herausgegeben nach der online Chats zwischen den Geschlechtern verboten sind. Angeblich hat sich das Amt sogar zu der Aussage verstiegen, dass es sich um Werkzeuge des Teufels handele. Das verwundert doch arg. Aus der ursprünglichen Fatwa lässt sich allenfalls dann ein Verbot entnehmen, wenn ein starkes Potential an Versuchung vorliegt. Das reicht aber nicht für ein generelles Verbot.
Die angebliche neue Fatwa begrenzt online Chats allerdings auf Fälle von Notwendigkeit (Darura). Das lässt sich schwerlich mit der generellen Erlaubnis der alten Fatwa in Einklang bringen. Entsprechend findet die öffentliche Diskussion in Ägypten statt (Gulf News: Egypt fatwa bans online chats between sexes). Es ist wünschenswert den Originaltext der Fatwa und eventuell eine darüber hinausgehende Erklärung zu bekommen, wie sich denn die beiden Fatwas miteinander vereinbaren lassen. Handelt es sich möglicherweise sogar um eine Falschmeldung?

Schlagworte: Geschlechtertrennung, Kommunikation, Internet, Chat, Notwendigkeit, Staatsmuftiamt, Ägypten