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Die aktuelle Fatwa: April 2014

30.04.2014

Yahoo News: Top Sunni cleric's group slams Egypt death sentences

Dieser Meldung liegt zwar nicht unmittelbar eine Fatwa zu Grunde, sie weist allerdings mehrere Bezüge zum Fatwawesen auf. Die 683 Todesurteile gegen Islamisten sorgen für einige Aufregung. Dass es sich um politische Urteile handelt, ist sicher zutreffend. Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens sind angebracht. Qaradawi selbst könnte ein Strafurteil in Abwesenheit zu erwarten haben, das sich u. a. auf eine Muhammad Mursi unterstützende Fatwa beziehen würde (vgl. Die aktuelle Fatwa vom 18.07.2013).
Es ist allerdings noch ein weiterer Mufti in das Verfahren einbezogen, nämlich der ägyptische Staatsmufti. Artikel 381 der ägyptischen Strafprozessordnung sieht vor, dass der Staatsmufti bei Todesurteilen anzuhören ist. Dafür hat er allerdings nur 10 Tage Zeit. Danach wird das Urteil rechtskräftig. Die Stellungnahme, die im Gesetz nicht als Fatwa bezeichnet wird, ist (genauso wie eine Fatwa) nicht bindend. Dass die Umwandlung von 492 von 529 Todesurteilen vom März in Haftstrafen auf eine Stellungnahme des Staatsmuftis zurückgeht, konnte ich nicht verifizieren. Auch ohne Bindungswirkung wäre ein entsprechender Einfluss aufgrund der Autorität des Staatsmuftis plausibel. Inhaltlich hat das Staatsmuftiamt in ähnlichen Fragen zuletzt eine eher mäßigende Position bezogen (vgl. Die aktuelle Fatwa vom 27.03.2014).

Schlagworte: Todesurteil, Strafprozessordnung, Rechtskraft, Muslimbrüder, Qaradawi, Staatsmuftiamt, Ägypten

24.04.2014

Islam - Q & A: She got divorced when she was pregnant, then she miscarried, but there were no human features in the embryo; she thought that her ‘iddah was over at that point, then she got married

Diese Fatwa befasst sich mit Wirksamkeitsvoraussetzungen von Scheidung und Wiederheirat. Nach einer einseitig vom Mann ausgesprochenen Scheidung (Talaq) hat die Frau eine Wartezeit (Idda) von drei Zyklen einzuhalten. Etwas Anderes gilt bei Schwangerschaft. Dann endet die Wartezeit mit der Geburt des Kindes. Das Problem bestand hier in einer Fehlgeburt in der fünften Woche. Hier besteht eine Meinungsverschiedenheit, ob zusätzlich erforderlich ist, dass der Fötus menschliche Merkmale hat. Die Malikiten halten das nicht für erforderlich. Hierfür ließe sich auch, was die Fatwa nicht erwähnt, das Argument heranziehen, dass die Wartezeit der Klarheit der Abstammung dient. Der Mufti schließt sich der anderen Auffassung an.
Gleichwohl erlaubt er der Fragestellerin einer anerkannten Rechtsschule wie der der Malikiten in dieser Frage zu folgen. Zusätzliche Bedingung ist allerdings, dass die Befolgung der angeblich richtigen Meinung eine besondere persönliche Härte darstellt. Diese Argumentation wird mit einigen Überlieferungen Muhammads (Hadithe) belegt. Demnach ist das Hinnehmen eines Schadens zu bevorzugen, wenn ein Eingriff zu einem weiteren Schaden führen würde. Schließlich führt der Mufti eine Überlieferung an wonach auch die ohne Vormund geschlossene Ehe grundsätzlich wirksam ist, wenn sie vollzogen wurde. Gleichwohl empfiehlt er die Wiederholung der Eheschließung mit Vormund.
Die Fatwa zeigt, wie sehr es auf den Einzelfall ankommen kann und dass dann auch die Meinungen anderer Rechtsschulen Wirksamkeit in der Rechtsschule entfalten können, der Fragestellerin und Mufti folgen.

Schlagworte: Familienrecht, Scheidung, Wartezeit, Schwangerschaft, Fehlgeburt, Härte, Ehevertrag, Vormund, Malikiten, Wahhabiten

17.04.2014

Dar al-Ifta al-misriyya: What is Bahaism and what is their theological belief?

Das ägyptische Staatsmuftiamt befasst sich in dieser Fatwa mit den Bahais. Es handelt sich um eine Religion, die im 19. Jahrhundert im Iran entstanden ist und deutliche Bezüge zum Islam aufweist. Das schildert die Fatwa zunächst noch recht sachlich.
Da der Islam Muhammad als das Siegel der Propheten, d. h. als den letzten Propheten ansieht, ist eine Prophetie nach Muhammad nicht akzeptabel. Entsprechend hart sind die Schlußfolgerungen, die daraus gezogen werden. Bahais seien Apostaten. Für Apostasie sieht das islamische Recht die Todesstrafe vor, was nicht ausgesprochen wird.
Weitere Voraussetzung der Apostasie ist, dass derjenige zuvor Muslim gewesen ist, was für viele der ersten Generation zugetroffen haben mag. Die Mehrzahl der heute lebenden Bahais dürfte allerdings in ihren Glauben hineingeboren sein bzw. nicht vom Islam konvertiert sein.
Das Staatsmuftiamt bestätigt damit die Diskriminierung von Bahais in Ägypten.

Schlagworte: Bahai, Apostasie, Staatsmuftiamt, Ägypten

10.04.2014

Darul Ifta Birmingham: Ruling on vinegar made from wine

Diese Fatwa befasst sich mit der Frage, ob der Konsum von Essig erlaubt ist. Das ist problematisch, da bei der Entstehung von Essig Alkohol im Spiel ist. Die Antwort beschreibt sehr schön wie sich die Meinungen der vier klassischen sunnitischen Rechtsschulen ausdifferenzieren. Danach verbieten die Hanbaliten und die Malikiten die Umwandlung von Wein in Essig absolut. Die Malikiten erlauben allerdings den Konsum von Essig. Das ist insofern relevant, wenn der Essig von Nichtmuslimen hergestellt wurde.
Nach den Schafiiten ist Essig dann erlaubt, wenn der Wein sich von selbst in Essig verwandelt hat. Wenn der Essig absichtlich hergestellt wurde, ist er nicht erlaubt. Danach wären die nachgefragten Lebensmittel verboten.
Die Hanafiten halten den Konsum von Essig generell für erlaubt. Sie stützen sich auf eine Überlieferung der späteren Lieblingsfrau Muhammads. Demgegenüber stützen sich die Malikiten auf eine Überlieferung von Muhammad selbst. Da diese an sich das größere Gewicht hat, sind weitere Argumente erforderlich. Dazu ziehen die Hanafiten historische Argumente heran. Interessant ist die Heranziehung des Begriffs Nabidh, denn dieser bezeichnet üblicherweise Dattelwein, also ein alkoholisches Getränk. Er wird aber auch für Dattelsaft gebraucht. Man sieht also deutlich wie wichtig die Bedeutung ist, die man einem Wort beimisst. An der Stelle deutet die Fatwa an, dass auch das Alkoholverbot selbst keineswegs eindeutig ist (vgl. Matthias Brückner: Fatwas zum Alkohol unter dem Einfluss neuer Medien im 20. Jhdt., Würzburg 2001, S. 82f..).

Schlagworte: Essig, Alkohol, Traubenwein, Dattelwein, Dattelsaft, Absicht, Deobandis

03.04.2014

OnIslam: Honor Killing from an Islamic Perspective

Bemerkenswert an dieser Fatwa ist zunächst in formaler Hinsicht, dass der Fatwa-Dienst Antworten von insgesamt drei Muftis eingeholt hat. Das spricht für die Bedutung des Themas.
Inhaltlich geht es um die sogenannten Ehrenmorde. Schon die einleitende Bemerkung mach deutlich, dass die vorsätzliche Tötung nach dem islamischen Recht strafbar ist. Davon kennt das islamische Recht nur drei Ausnahmen, nämlich als Strafe für Unzucht, Apostasie und ein Tötungsdelikt.
Die erste Antwort macht weiterhin deutlich, dass Lynchjustiz verboten ist. Die Todesstrafe für die genannten Delikte kann nur durch ein Gerichtsurteil verhängt werden. Die zweite Antwort ordnet die Zuständigkeit generell dem islamischen Staat zu. Die dritte Antwort stellt abschließend fest, dass der Täter eines Ehrenmordes sich seinerseits strafbar gemacht hat. Zutreffend wird festgestellt, dass es sich um kulturelle Traditionen handelt, die nichts mit dem Islam zu tun haben.

Schlagworte: Strafrecht, Ehrenmord, Totschlag, Vorsatz, Unzucht, Apostasie, Gerichtsverfahren, Urteil