The Huffington Post: Topless Tunisian Femen Protester 'Amina' Threatened With Death By Stoning
Bereits letzte Woche war mir eine Meldung zu dieser Protestaktion in Tunesien aufgefallen. Sie war aber inhaltlich noch ziemlich dünn. Mittlerweile spitzen sich die Ereignisse zu und die Pressemeldungen verdichten sich.
Das Hacking der tunesischen Femen-Website lässt sich als Akt virtuellen Dschihads einordnen. Nach den allerletzten Meldungen wurde Amina von Ihrer Familie zwangsweise in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.
Was die Fatwa betrifft, so stellen sich ein paar interessante Fragen. Schon in den zitierten Auszügen deutet sich ein Problem an. Es handelt sich nicht um Unzucht, denn es kam zu keinen sexuellen Handlungen. Das bedeutet, dass selbst nach dem islamischen Recht in keinem Fall die Todesstrafe in Betracht kommt.
Dabei wird die Todesstrafe nach dem islamischen Recht ohnehin nur bei volljährigen, verheirateten Tätern angewandt. Bei Minderjährigen oder Unverheirateten treten die angesprochenen Peitschenhiebe als Rechtsfolge ein. Dasselbe gilt auch für Täter die nicht zurechnungsfähig sind. Unter diesem Eindruck könnte es zur Einweisung in die psychiatrische Klinik gekommen sein.
Um es nochmal zu wiederholen: Es liegt schon tatbestandlich keine Unzucht vor! Möglicherweise besteht hier eine Lücke im islamischen Recht. Wenn man an eine hinter der Unzucht zurückbleibende Erregung öffentlichen Ärgernisses denken würde, so könnte das in den Bereich der Züchtigung (Ta'zir) fallen. Hier können maximal bis zu 39 Hiebe als Strafe verhängt werden, die im Ermessen des Richters steht.
Beachtet werden muss aber auf jeden Fall das staatliche tunesische Recht, das offensichtlich ganz andere Sanktionen vorsieht und somit im Widerspruch zum islamischen Recht steht.
Schlagworte: Strafrecht, Frauenrechte, Femen, Unzucht, Zurechnungsfähigkeit, virtueller Dschihad, Tunesien
Die Apostasie und ihre strafrechtlichen Folgen sind ein seltenes, aber beliebtes Thema in Fatwas. Wenn danach gefragt wird, geht es üblicherweise darum ein missbilligtes Verhalten zu brandmarken, wie es bei den gegen Shahin Najafi letztes Jahr erteilten Fatwas der Fall war (vgl. Die aktuelle Fatwa vom 15.05.2012, Die aktuelle Fatwa vom 26.06.2012).
An dieser Fatwa kann man gut erkennen, wie die Frage die Antwort leitet. In den Mittelpunkt dieser Frage wird nämlich die Reue gerückt, die sodann auch in der Antwort umfassend behandelt wird. Die Voraussetzungen und Folgen der Reue werden umfangreich mit Zitaten aus Koran und den Traditionen des Propheten belegt. Das geschieht durchgehend aus theologischer Sicht. Strafrechtliche Aspekte werden mit keinem Wort angesprochen.
Schlagworte: Theologie, Strafrecht, Apostasie, Reue, Wahhabiten
The Jerusalem Post: Fatwa issued against Muslim travel to Aksa Mosque
Eine weitere Fortsetzung in Form einer Fatwa findet auch der Streit, ob Muslime Jerusalem besuchen sollen oder das gerade verboten ist. Zwar ist hier die israelische Quelle zu beachten, allerdings fügt sich die Meldung zwanglos in die bisherigen Geschehnisse ein.
Der Disput folgt gewissermaßen der Regel "The same procedure as every year" (May Warden in "Dinner for One"). Vor etwa einem Jahr gab es bereits eine Auseinandersetzung zwischem dem palästinensischen Minister für Stiftungen und religiöse Angelegenheiten und dem orthodoxen Mufti Yusuf Qaradawi über eine von jenem bekräftigte Fatwa gleichen Inhalts (vgl. Die aktuelle Fatwa vom 02.03.2012). Dort machte der Minister gewichtige Gründe geltend, die gegen die Fatwa sprechen.
Zwischenzeitlich hat der gerade abgelöste ägyptische Staatsmufti Jerusalem besucht und dadurch dieser Rechtsauffassung faktisch den Rücken gestärkt. Auch der Mufti von Jerusalem hat die Meinung, dass Muslime Jerusalem besuchen sollen in einer Fatwa vertreten (vgl. Die aktuelle Fatwa vom 25.07.2012).
Neue inhaltliche Argumente werden in den zitierten Auszügen nicht vorgetragen. Neu ist allerdings der Aufruf zum Heiligen Krieg. Aus der Meldung geht allerdings nicht ganz klar hervor, ob dieser Aufruf in der Fatwa enthalten ist, oder ob es sich um eine Äußerung des Vorsitzenden der Fatwaabteilung handelt. Deutlich ist die Verbrüderung von Hamas und Qaradawi.
Schlagworte: Palästina, Israel, Jerusalem, Qaradawi, Ägypten, Staatsmufti, Hamas, Heiliger Krieg
Südwest-Presse: Beschneiderin stößt Diskussion um Genitalverstümmelung an
Auf die erfreuliche Fatwa, die sich gegen die weibliche Genitalverstümmelung in Mauretanien richtet, hatte ich bereits hingewiesen (vgl. Die aktuelle Fatwa vom 04.04.2012). 2010 wird wiederrum als Entstehungsjahr der Fatwa genannt, allerdings wird in diesem Bericht ein anderer Mufti angeführt. Bei dem Islamischen Rat Mauretaniens dürfte es sich allerdings wohl um dasselbe Gremium handeln, das bereits in der ersten Meldung genannt ist, so dass beide Gelehrten demselben Gremium angehören und es sich um dieselbe Fatwa handelt. In dieser Meldung erfahren wir allerdings etwas mehr über die Entwicklung hin zu der Fatwa. Sie zeigt schön, dass die Tätigkeit des Muftis erst durch die Fragestellerin ausgelöst wird. Dementsprechend handelt es sich oft um sehr praktische Fragen. Daran schließt sich die rechtliche Lösungsfindung an. Positiv zu erwähnen ist die Aufnahme der Fatwa in die Freitagsgebete, denn dadurch wird eine weite Verbreitung bewirkt.
Schlagworte: Sexualrecht, Beschneidung, Frau, Mauretanien
Mit Beginn dieses Monats gibt es einen Wechsel bei einem der höchsten sunnitischen Würdenträger, nämlich dem ägyptischen Staatsmufti. Schon seine Bestimmung hat diesmal Bezüge zum arabischen Frühling und zur neuen ägyptischen Verfassung. Das erste Mal in der Geschichte der ägyptischen Staatsmuftis ist er nicht vom Präsidenten bestimmt worden, sondern von einem Ältestenrat der Azhar-Universität in geheimer Wahl gewählt worden. Das bedeutet sicher einen Machtzuwachs der Azhar und eventuell einen Schritt zu mehr Gewaltenteilung. Präsident Mursi hat die Wahl zwischenzeitlich bestätigt. Über den neuen Amtsinhaber, Shawki Ibrahim Abdel-Karim, ist noch relativ wenig bekannt. Bemerkenswert ist noch die Regelung, dass der Staatsmufti bei der Wahl weniger als 60 Jahre alt sein muss, wo doch in der arabisch-islamischen Welt Seniorität hohes Ansehen genießt.
Schlagworte: Staatsmufti, arabischer Frühling, Verfassung, Präsident, al-Azhar, Shawki Ibrahim Abdel-Karim, Ägypten